Drei von vier Beschäftigten nehmen Diskriminierung am Arbeitsplatz wahr – sowohl selbst erlebte als auch bei anderen. Das ist das Ergebnis einer Beschäftigtenbefragung, die das Projekt "Connect – Vielfalt durch Teilhabe" vom DGB-Bildungswerk Thüringen Anfang des Jahres zusammen mit ver.di und dem Betriebsrat eines Versandhandelsunternehmen am Lagerstandort in Sachsen durchgeführt und ausgewertet hat.

Das Unternehmen kauft gebrauchte Güter und verkauft sie über Onlinehändler weiter. 1.200 Beschäftigte sind im Drei-Schicht-Betrieb tätig. Etwa 56 Prozent von ihnen sind Migrant*innen. Bei der Betriebsratswahl im April 2022 errang die ver.di-Liste vier von 17 Sitzen. Sechs Betriebsratsmitglieder haben eine Migrationsgeschichte. Nach der Wahl wollten ver.di-Mitglieder Beschäftigte befragen. Dazu nahmen sie Kontakt mit ver.di auf. Der mit dem Projekt Connect entwickelte Fragebogen wurde in sechs Sprachen übersetzt – angelehnt an die häufigsten Herkunftssprachen im Betrieb: Arabisch, Farsi, Englisch, Deutsch, Polnisch, und Tigrinya.

231 Beschäftigte nahmen an der Befragung teil, was einem Anteil von knapp 19 Prozent aller Beschäftigten entspricht. Etwa 56 Prozent der Teilnehmenden waren Migrant*innen. 72,2 Prozent gaben an, selbst Diskriminierung zu erleben, 75 Prozent berichteten, Diskriminierungen anderer zu beobachten. Die erlebten Arten von Diskriminierung im Betrieb sind: 47,9 Prozent verbale Diskriminierung, 15,6 Prozent Bedrohungen und körperliche Gewalt, 10,2 Prozent sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt, 50,3 Prozent "Ignoriert werden" und 61,7 Prozent schlechtere Arbeitsaufgaben.

Geht man von der Anzahl der migrantischen Beschäftigten aus, die den Fragebogen ausgefüllt haben, sind 62,9 Prozent der Migrant*innen im Betrieb von Rassismus betroffen. Neben Rassismus von Deutschen gegenüber Migrant*innen wurde auch eine schlechtere Behandlung zwischen den migrantischen Gruppen erkennbar. Das zeigt sich in den Führungspositionen, wo manche Nationalitäten nicht vertreten sind, aber auch bei den Arbeitsbedingungen, beispielsweise, wer welche Aufgaben zugewiesen bekommt oder wie gut die Einarbeitung ist. Fast 16 Prozent aller Befragten gaben an, bedroht oder körperlich angegriffen worden zu sein. 10 Prozent berichteten, sexuelle Belästigung oder sexualisierte Gewalt erfahren zu haben.

Als nächstes sollen im Mai Gespräche zwischen Führungskräften und Betriebsräten beginnen, um den Rassismus gemeinsam anzugehen, sagt Oliver Preuss vom DGB-Bildungswerk Thüringen. "Die Bekämpfung von Rassismus muss immer strukturell angegangen werden. Wo das rein auf der individuellen Ebene gemacht wird, sind die Betroffenen behindert, sich helfen zu lassen." Preuss empfiehlt: "Sobald es einen Betriebsrat gibt, sollten sich Betroffene an ihn wenden. Wenn es keinen gibt, dann sollten sie sich an die Betreuungssekretäre der zuständigen Gewerkschaft wenden." Von ver.di gebe es sehr gute Informationsangebote. Das Projekt Connect wird bis Ende nächsten Jahres noch weitere Befragungen durchführen und auch Schulungen anbieten. Marion Lühring

Mehr erfahren: connect.dgb-bwt.de