Wildwest in Münster

Zuerst arbeiteten die Journalisten in Umkleidekabinen. Dann flogen sie raus

Der Dortmunder Verleger Lambert Lensing-Wolff ist für rüde Methoden im Umgang mit Beschäftigten bekannt. Im Dezember entließ er mehrere Fotografen der Ruhr-Nachrichten und bot ihnen an, als Freie für das Blatt zu arbeiten. Ende Januar servierte er 19 Beschäftigte der Münsterschen Zeitung ab: Nach der Tagesproduktion erfuhren sie von Geschäftsführer Lutz Schumacher, sie seien ab jetzt "freigestellt". Begründung: mangelndes Vertrauen in das alte Team, den "Erfordernissen der Zukunft" gerecht zu werden.

Interessanterweise wird die Leistung des Chefredakteurs anders bewertet. "Der bisherige Chefredakteur wurde zum Herausgeber bestellt. Dieser Schritt empört die Kollegen", sagt Betriebsrat Martin Fahlbusch. Unter Schikanen litten sie bereits vorher: Weil ihre Räume renoviert wurden, mussten sie in der Kantine und den Umkleidekabinen der ehemaligen Druckerei arbeiten.

Betroffen von der Freistellung sind die komplette Lokalredaktion, die Sportredaktion und das Sekretariat. Ihre Aufgaben übernahm eine Tochterfirma des Verlags, die Media Service GmbH & Co. KG. Den Freigestellten empfahl Geschäftsführer Schumacher, sich dort um ihren Arbeitsplatz zu bewerben. Eine Sekretärin und der Gerichtsreporter wurden wieder eingestellt.

Für die Gewerkschaften handelt es sich um eine besonders brutale Form der Tarifflucht. Frank Biermann, Vorsitzender der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di Münsterland zu den Gehältern in der neuen Gesellschaft: "Nach unseren Informationen ist das Bruttogehalt eines Redakteurs dort so hoch wie das Nettogehalt eines tariflich bezahlten Kollegen im 10. bis 15. Berufsjahr, also zwischen 2500 bis 2600 Euro brutto." Der Chefredakteur der neuen Lokalredaktion, Stefan Bergmann, sieht das anders: "Wir bezahlen angelehnt an den Tarif, aber das Alter ist für uns kein Kriterium." Vielmehr werde leistungsorientiert bezahlt.

Bei einer Protestaktion der dju mit dem DJV wurden 5000 Flugblätter verteilt. Politiker aus der Region, Künstler und der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker bezeugten öffentlich ihr Unverständnis. Zusätzlich wurden rund 1000 Unterschriften gesammelt. Lensing-Wolff sah sich daraufhin genötigt, im eigenen Blatt seine Personalpolitik zu rechtfertigen.

Neuer Schlag in Dortmund

Während die Empörung in Münster anhielt, holte er in Dortmund zum Schlag aus. Elf Beschäftigte seines Druckhauses erhielten die Kündigung. Schon am nächsten Tag wurde die Maschine abgerissen, an der sie gearbeitet hatten. Offenbar will er sich so aktiver Gewerkschafter, ehemaliger Betriebsräte und langjährig Beschäftigter entledigen und alle Anderen einschüchtern. Die Strategie: Die Betroffenen wurden in eine Abteilung gesteckt, mussten an der ältesten Maschine arbeiten. Jetzt erklärte die Geschäftsleitung, dieser Betriebsteil werde geschlossen. ver.di fordert einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Dafür sind jetzt die Gerichte zuständig.