Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) macht sich auf den Weg, ein Konzern zu werden

Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) versucht seit Jahren, die Rechte ihrer Mitarbeiter zu beschneiden, das Tarif- und damit das Arbeitsrecht zu beugen. Es geht um rund 140000 Beschäftigte, und der Slogan der AWO - "Kompetenz und Zuverlässigkeit schaffen Vertrauen" - wird zurzeit abermals zur innerbetrieblichen Farce: Die AWO hat das Unternehmertum entdeckt. Ein "Wohlfahrtskonzern" wird angestrebt. ver.di hat jetzt die Verhandlungen mit der AWO abgebrochen, die sich seit April des vergangenen Jahres dahinschleppten. Die legitimen Forderungen der Gewerkschaft wurden nicht erfüllt: Tarife auf der Grundlage des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst; Schluss mit der Provokation, die Löhne um rund 25 Prozent senken zu wollen.

Schwacher Riegel

Stattdessen brach der AWO-Arbeitgeberverband Deutschland (AGV) Zusagen und Verhandlungsergebnisse. Bereits seit Sommer 2005 wurde in Fragen der Ortszuschläge herumlaviert, die Arbeitszeit sollte auf 42 Stunden erhöht, der Urlaubsanspruch reduziert werden, entfallen sollten Weihnachtsgeld und Altersversorgung. Abenteuerlich wirkte die Forderung des AGV, die Beschäftigten je nach Region unterschiedlich zu behandeln und zu bezahlen.

In einem vergleichbaren Fall hatte ver.di im Juni 2004 vor dem Bundesarbeitsgericht gesiegt. Die AWO in den neuen Landesverbänden hatte damals den Tarifvertrag Ost mit der Begründung gekündigt, sie würde die Verträge zwischen ver.di und dem AWO-Bundesverband nicht anerkennen. Ellen Paschke vom ver.di-Bundesvorstand hatte erklärt: "Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein Verhandlungspartner nach zehn Jahren die gemeinsam verabredeten Regelungen für ungültig erklärt." Gut sei es deshalb, dass das Bundesarbeitsgericht dem einen Riegel vorgeschoben habe.

Der Riegel erwies sich als zu schwach - und der Slogan des AWO-Bundesjugendwerksvorstands als zutreffend: "Bei jeder Schweinerei ist die AWO dabei." Derzeit werde jeder soziale Standard zur Disposition gestellt, berichtet der zuständige ver.di-Sekretär in der Bundesverwaltung, Jürgen Wörner. Er bedauert, dass es seit dem Abbruch der Verhandlungen außer auf Länderebene keine Kontakte mehr mit der Wohlfahrtsspitze gebe.

Gegenwärtig plane die AWO für Ende Juni eine außerordentliche Bundeskonferenz, um den Umbau zum "Wohlfahrtskonzern" festzuschreiben. Allerdings, so Wörners Informationen, sei sich die Verbandsspitze ihrer Pläne nicht sicher und überlege, ob sie den Termin wegen des erheblichen Widerstands nicht kippen müsse. Widerstand leisten die Beschäftigten, die sich der traditionellen Wohlfahrtsidee verpflichtet fühlen, und die Jungen. So am 1. Februar in München bei der "Mittagspause der Wohlfahrt": "Die AWO handelt nicht besser als die Sozialabbau betreibenden Politiker", schimpfte da der Münchner ver.di-Sekretär Heribert Weyrich. Erst wenn die kritischen Köpfe bei der AWO die Oberhand gewinnen, schätzt Wörner, gäbe es eine Chance, dass die Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft und dem Verband wieder aufgenommen würden.BAL