Seit zwei Jahren widersteht ein Betriebsrat in Ditzingen dem US-Konzern UPS

Von Hermann G. Abmayr

Der US-amerikanische Logistikkonzern United Parcel Service (UPS) versucht seit mehr als zwei Jahren, den Betriebsratsvorsitzenden der Niederlassung Ditzingen bei Stuttgart loszuwerden. Vergeblich. Trotz mehrerer Kündigungsversuche, Amtsenthebungsverfahrens, Hausverbots und Arbeitsverbots. Die Kollegen stehen hinter Mahmut Gemili. Bei den Betriebsratswahlen im Januar gaben sie der offenen ver.di-Liste des 47-Jährigen mehr Stimmen als in der Wahl zuvor.

Mahmut Gemili - 16 Jahre bei UPS und kein bisschen eingeschüchtert Foto: JO RÖTTGERS

Bänder mit Anhängseln

Das Braun ihrer eckigen Lieferwagen hat UPS bei den Pullmann-Eisenbahnwagen in den USA geklaut. Sie galten einst als Symbol für Luxus und Qualität. Bei dem mit über 400000 Beschäftigten angeblich größten Paketzusteller der Welt gilt das für die Arbeitsbedingungen jedoch nicht. Die Auslieferungszeiten der Fahrer seien mit der Stoppuhr ausgeklügelt, berichtete das Handelsblatt und "die Beschäftigten in den Verteilungszentren schuften wie die Galeerensklaven gegen die Uhr und gegen die ständigen Aufforderungen über Lautsprecher, noch schneller zu sortieren".

Auch in Deutschland versucht das hochprofitable Unternehmen, die Arbeiter so flexibel einzusetzen, als seien sie Anhängsel von Paket-Verteilbändern. Zum Beispiel in Ditzingen: Zehn Überstunden pro Mann und Woche sollte der UPS-Betriebsrat dort vorab genehmigen - auch für die Arbeiter in den Verteilzentren, die nur einen 12,5-Stunden-Vertrag hatten. Deshalb müssen die Kollegen nach der UPS-Schicht einem Zweitjob nachgehen und zwar nicht selten dann, wenn sie bei UPS Überstunden machen sollten.

Mahmut Gemili und die Mehrheit des Betriebsrats lehnten die Zahl der Überstunden ab und setzten sich mit Hilfe einer Einigungsstelle durch. Die Zahl der vorab genehmigten Überstunden in Ditzingen wurde massiv einschränkt.

Die Strafaktion

"Doch dann folgte die Strafaktion", berichtet ver.di-Sekretär Engelbert Reck. UPS drohte mit der Schließung der Niederlassung; weigerte sich, die Löhne und Gehälter wie in den anderen Niederlassungen zu erhöhen; verlagerte einige Touren und versetzte sechs Kollegen in ein anderes Verteilzentrum.

Gleichzeitig ließ man Gemili und seine Familie von einem Privatdetektiv überwachen und versuchte, ihn über ein Amtsenthebungsverfahren beim Arbeitsgericht aus dem Betriebsrat zu entfernen. Doch der gelernte Gas- und Wasserinstallateur, der vor 16 Jahren bei UPS begonnen und zuletzt als Bereichsverantwortlicher gearbeitet hatte, ließ sich nicht einschüchtern - auch als ein Kündigungsantrag nach dem anderen folgte. Zuerst wegen einer angeblichen Falschaussage, dann weil er laut UPS Telefongespräche mit Vorgesetzten ohne deren Zustimmung mitgeschnitten habe. Zuletzt, weil er den Paketdienst habe schädigen wollen.

Da ein Betriebsrat besonderen Kündigungsschutz hat, kann Gemili nur dann gekündigt werden, wenn das Arbeitsgericht die fehlende Zustimmung des Betriebsratsgremiums ersetzt. Trotz etlicher Termine vor Arbeits- und Landgerichten hat UPS in den Kündigungsverfahren bisher nur Niederlagen eingesteckt. Mehrmals warfen die Richter den Zeugen des Unternehmens Unglaubwürdigkeit vor.

Mittlerweile versuchte UPS, Mahmut Gemili über ein Hausverbot loszuwerden und beurlaubte ihn von seinen arbeitsvertraglichen Pflichten. "Doch all das lief ins Leere", sagt Rechtsanwalt Uwe Melzer, "denn Gemili hat als freigestellter Betriebsrat das Recht, jederzeit in den Betrieb zu kommen und seiner Betriebsratsarbeit nachzugehen."

Klar, das Mahmut Gemili manchmal Zweifel bekam, dass er nicht wusste, ob er weitermachen soll. Dann gab er sich einen Ruck. "Ich bin früher mehrmals Halbmarathon gelaufen", sagt er, "da braucht man auch eine gute Ausdauer. Außerdem habe ich die Unterstützung meiner Kollegen, meines Anwalts und - meiner Gewerkschaft."

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