Lidl-Protest auf Europäisch: Gleichzeitige Aktionen in drei Ländern

Seit ver.di die Lidl-Kampagne für menschenwürdige Jobs und die freie Wahl von Betriebsräten nicht nur in Deutschland betreibt, sondern auch in Europa, tauchen überall neue Schwierigkeiten für den Unternehmer Dieter Schwarz auf, der mit den Discountern Kaufland und Lidl auf Platz 10 der Weltrangliste im Handel steht.

ver.di-Aktion in der City von London FOTO: ANDREAS HAMANN

Action in London...

"Wir wissen, dass die Schwarz-Gruppe ein erhebliches Imageproblem hat", räumte der Exekutivdirektor Joachim Schwarzer von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) am 24. Januar in London ein. Gerade hatte er eine Petition erhalten, in der ver.di schärfere Kriterien bei Kreditvergaben und striktere Kontrollen zur Einhaltung sozialer Mindeststandards fordert. Zu dem Zeitpunkt hatten Proteste der Gewerkschaft und des internationalen bankenkritischen Netzwerks "CEE Bankwatch" einen Kredit über 100 Millionen Euro an Kaufland zunächst gestoppt.

Mit dem Geld der multinationalen Entwicklungsbank, an der Deutschland 8,52 Prozent Anteile hält, soll die Expansion der Lidl-Schwester Kaufland in Rumänien finanziert werden. Daraus wurde zunächst nichts, ein Ja durch das Bankendirektorium galt jdoch als sicher. Die Entscheidung war zwar am 23. Januar kurzfristig vertagt worden, weil ver.di und "Bankwatch" erneut massive Vorwürfe geäußert hatten. Schwarzer erklärte beim Treffen mit einer ver.di-Delegation, er habe kaum Zweifel, dass der Kredit fließen werde. Seine Prognose wurde zwei Wochen später Realität: Der Kredit über 100 Millionen für Kaufland wurde genehmigt. ver.di kritisierte diese Entscheidung. Bei den Vorwürfen geht es um schwere Verstöße von Kaufland gegen die polnische Arbeitsgesetzgebung und die Verletzung grundlegender Rechte von Beschäftigten, auch des Rechts auf Zusammenschluss in Gewerkschaften. Denn in keiner der fast 70 polnischen Kaufland-Filialen gibt es ein Betriebskomitee. Etliche Angestellte, die solche Interessenvertretungen vorbereiteten, wurden gemobbt und entlassen. Auf das "System der Angst", das Schwarz nach Osteuropa exportiert, zielten am 24. Januar gleichzeitig stattfindende ver.di-Aktionen in London, Bukarest und Berlin, die von einheimischen Gewerkschaftern und "Bankwatch" unterstützt wurden. Punkt 12 Uhr startete der Protest. Das Motto "No more public money for law-breakers! - Keine öffentlichen Gelder mehr für Gesetzesbrecher!" brachte in London auch den deutschen EBRD-Direktor Schwarzer kurzzeitig aus der Fassung. Dennoch sprach er sich für bessere Kontrollen vor und nach der Genehmigung von Krediten aus, wenngleich er die Vergabekriterien für "ausreichend präzise" hält. Wenige Schritte von seinem Büro entfernt - und unter den wachsamen Augen einer Handvoll Polizisten - hatte sich unterdessen vor den Stufen des Haupteingangs eine Gruppe ver.di-Aktivisten postiert und verteilte Infomaterial an die Passanten auf der Liverpool Street.

...in Bukarest

Beim Protest vor einer Kaufland-Filiale in Bukarest dominierte auf den vielen Fahnen und Schürzen der Demonstranten die hellblaue Farbe der Handelsgewerkschaft (FSLC), die gemeinsam mit ihrem Dachverband CNSLR und "Bankwatch" für einige Stunden den Laden belagerte. Vor laufenden Kameras kündigte Rainer Kau, der Koordinator der Lidl-Kampagne, weitere grenzüberschreitende Aktionen für den 8. März an.

...und in Berlin

In Berlin versorgte ver.di tausende Besucher der "Grünen Woche" mit Informationen über Lidl und Kaufland. Bei einer Blitzaktion am "Erlebnisbauernhof", auf dem das Lidl-Logo alle Stände beherrschte, hatten ver.di-Leute wenige Tage zuvor ein Transparent mit der Aufschrift "Fair ist mehr - Für Mitbestimmung bei Lidl" entrollt. Thomas Oberle, Kommunikationschef des Discounters, flüchtete, als er zum Gespräch aufgefordert wurde. Und sein Arbeitgeber steckt trotz PR-Zaubers eine Schlappe nach der anderen ein: Nach ver.di entdeckte auch Der Spiegel, dass bei Lidl ein "System der Angst" herrscht. In der Sendung Menschen bei Maischberger bestätigte ein ehemaliger Verkaufsleiter vor Millionenpublikum, dass alle Vorwürfe aus dem "Schwarz-Buch Lidl" stimmen - und vieles sei noch schlimmer. Auch das Manager-Magazin kommt jetzt zu einem harten Urteil über Lidl: "Die Unternehmenskultur erinnert eher an ein militärisches Ausbildungslager als an ein modernes Handelsunternehmen."