Seit Wochen ausgesperrt. Vor der Lippischen Nervenklinik

VON UWE REEPEN

"Wir wollen doch nur etwas Selbstverständliches, einen Tarifvertrag." Für Kath-rin Brucka ist auch nach wochenlangen Auseinandersetzungen schwer zu verstehen, warum ihr Arbeitgeber, die Lippische Nervenklinik Dr. Spernau im westfälischen Bad Salzuflen, den Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft sogar Gespräche über einen Tarifvertrag verweigert. Damit nicht genug. Seit dem 30. Juli hat der Geschäftsführer der Klinik, Alexander Spernau, 42 Krankenschwestern und -pfleger ausgesperrt. Ein in der Geschichte des bundesdeutschen Gesundheitswesens einmaliger Vorgang.

Bereits Anfang 2008 hatte ver.di die Klinikleitung zu Gesprächen über einen Haustarifvertrag aufgefordert. Wie dringend notwendig ein solcher Vertrag ist, belegen wenige Zahlen. Derzeit liegen die Einkommen der Beschäftigten der Nervenklinik um 250 bis 400 Euro unter den Tarifgehältern anderer Krankenhäuser der Region. Da die Arbeitsverträge individuell ausgehandelt wurden, variieren auch Weihnachtsgeld und Urlaubstage, obwohl die Schwestern und Pfleger die gleiche Arbeit verrichten. Auf Protestversammlungen und Warnstreiks reagierte die Geschäftsführung mit Abmahnungen, Bedrohungen und Schikanen. Um die Geschäftsführung dennoch an den Verhandlungstisch zu bringen, traten die Beschäftigten am 30. April 2009 in den Ausstand. Erst tageweise, dann unbefristet. Trotz dieses wochenlangen Streiks kam es nicht zu Verhandlungen. Sogar dem nordrhein-westfälischen Landesschlichter Bernhard Pollmeyer verweigerte die Geschäftsführung jedes Gespräch. Stattdessen sperrte sie die Beschäftigten aus, als die am 30. Juli die Arbeit wieder aufnehmen wollten.

Vor der Tür

"Als wir nach 14 Wochen Streik ausgesperrt wurden, war das wie ein Schlag in die Magengrube. Da arbeitet man seit Jahren in diesem Haus und wird behandelt wie ein Verbrecher, muss den Schlüssel abgeben und den Spind räumen. Das war erniedrigend. Doch meine Kolleginnen, Kollegen und ich lassen uns davon nicht unterkriegen", so fasst Kathrin Brucka, seit 19 Jahren Krankenschwester in der Klinik, die Reaktion der Beschäftigten zusammen. Die Ausgesperrten ersetzte die Klinikleitung mit Leiharbeitern. Sie gefährdet damit das Wohl der Patienten.

Sylvia Bühler, die für das Gesundheitswesen zuständige ver.di-Landesfachbereichsleiterin, sagt: "Gerade in der Psychiatrie ist eine tragfähige Beziehung zwischen Patienten und Pflegekräften entscheidend. Die Ausgesperrten sind erfahrene Krankenschwestern und -pfleger mit langjähriger Erfahrung in der Psychiatrie. Längst nicht alle eingesetzten Leiharbeiter sind Fachkräfte, sie können das nicht leisten."

Die Ausgesperrten sind nicht bereit, sich von ihrem Arbeitgeber erpressen zu lassen. Sie kämpfen weiter für einen Tarifvertrag. Und dabei sind sie nicht allein. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im nordrhein-westfälischen Landtag, Reiner Schmelzer, bezeichnete die Vorgänge in der Klinik als "modernes Sklaventum". Der NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte, er habe kein Verständnis für das Verhalten der Geschäftsführung. Bei einem Besuch sprach der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske den Ausgesperrten Mut zu: "Ihr zeigt seit vielen Wochen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht bereit sind, vor der Willkür eines Arbeitsgebers zu kapitulieren. Darauf könnt ihr stolz sein."

Auch wenn die Härte der Auseinandersetzung an den Nerven der Beschäftigten zerre, sagt die Betriebsratsvorsitzende Stephanie Werzner: "Der Streik und die Aussperrung haben uns zusammengeschweißt. Unser Ziel bleibt der Abschluss eines Tarifvertrages.“ www.lnk-streik.de