3700 Stellen verschwinden bei Quelle. Unsicherheit bleibt bei Karstadt. Welche Filialen und welche Arbeitsplätze werden erhalten?

VON GUDRUN GIESE

Bei Karstadt in Essen - Aktion am 9. Juni

Am 1. September wurde das Insolvenzverfahren bei den Arcandor-Töchtern Quelle/Primondo und Karstadt eröffnet. Für beide Unternehmen werden Investoren gesucht. Doch zuvor stehen Sanierungen an - die vor allem zu Lasten des Personals gehen. "Die Beschäftigten bei Karstadt und Quelle haben seit 2004 mehrere 100 Millionen Euro zur Sanierung von Arcandor beigetragen", sagt Margret Mönig-Raane, stellvertretende ver.di-Bundesvorsitzende und Leiterin des Fachbereichs Handel. "Jetzt sollen sie wieder zahlen, obwohl bei Quelle/Primondo 3 700 Beschäftigte gekündigt werden und bei Karstadt nicht klar ist, welche Filialen und welche Arbeitsplätze bleiben. Der Kampf wird weitergehen." Im letzten Moment wurde vor einigen Wochen der Quelle-Katalog gedruckt und versendet. Dank eines Massekredits konnte die damals zahlungsunfähige Arcandor-Tochter das Kernstück des Versands, den Warenkatalog, unter die Kunden bringen. Doch nun geht es um weitere Einschnitte: Bis Ende September werden bis zu 3 700 der 10 500 Stellen abgebaut. Betroffen sind ca. 1 200 Beschäftigte der 109 Quelle-Technik-Center, die geschlossen werden. Weitere Stellen fallen im Außendienst, beim technischen Kundendienst Profectis, in der Zentralverwaltung und in den Servicegesellschaften der Versandsparte Primondo weg. "Im Insolvenzverfahren geht es nicht mehr um das Ob von Stellenstreichungen, sondern um die Abfederung der Kündigungen durch eine Transfergesellschaft", erklärt ver.di-Sekretär Johann Rösch. Seit Wochen diskutieren alle Beteiligten über eine Transfergesellschaft. Sie soll Qualifizierung und Jobvermittlung gleichermaßen bieten. Bei Redaktionsschluss war allerdings noch strittig, wie die Kosten zwischen Arbeitsagentur, Quelle/Primondo und der öffentlichen Hand aufgeteilt werden.

Möglichst am Stück

Quelle/Primondo konnte zwar seit der Zahlungsunfähigkeit im Frühjahr seine Umsätze wieder stabilisieren. Doch der befristete, sehr teure Massekredit, mit dem u.a. der Katalog finanziert wurde, muss dringend durch ein neues Refinanzierungsprogramm zu normalen Zinskonditionen abgelöst werden. Außerdem müsse sich zeigen, so Johann Rösch, ob der Insolvenzverwalter für Primondo als Ganzes einen Investor finde. Sonst bestehe die Gefahr, dass attraktive einzelne Firmen herausgekauft würden. In diesem Punkt ist die Situation bei Karstadt ähnlich. Auch unter den Warenhäusern gibt es besonders lukrative Exemplare wie das KaDeWe in Berlin oder das Alsterhaus in Hamburg. Daneben hat Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg Mitte August 19 Häuser ausgemacht, "deren Fortführungsperspektive nochmals zu prüfen" sei. Namen nannte er nicht.

Von wegen "Zukunftspakt"

Anders als Quelle/Primondo ist Karstadt im bisherigen Verfahren liquide gewesen. Doch da auch Karstadt im Ganzen an einen Investor gehen soll, wollen Insolvenzverwalter und Geschäftsleitung das Unternehmen zuvor einer straffen Sanierung unterwerfen. Hauptbeiträge werden dabei - einmal mehr - von den Beschäftigten erwartet. "Es soll ein Haustarifvertrag abgeschlossen werden, der die Senkung des Tarifgehalts auf 80 Prozent vorsieht", hieß es aus dem Karstadt-Gesamtbetriebsrat. Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Vorsorgeleistungen sollten ebenso gestrichen werden wie Zuschläge, Sonderkündigungsschutz und die bezahlte Freistellung. Arbeitszeitflexibilisierung, stärkere Arbeitsteilung und der Einsatz von Fremdkräften gehören ebenfalls in das "Zukunftspakt" genannte Papier. "Gemeinsam mit dem GBR lehnen wir einen Haustarifvertrag strikt ab", erklärt dazu Gertrud Tippel-Kluth, die bei ver.di für Karstadt zuständig ist. Betriebsräte und ver.di werden weiterhin versuchen, so viel wie möglich für die Beschäftigten herauszuholen.