Nicht börsennotierte Familienunternehmen genießen im Allgemeinen einen guten Ruf. Aber nicht alle: Der familiengeführte Versandhandel Schäfer Shop (SSI) setzt am Unternehmenssitz Betzdorf/Sieg in Rheinland-Pfalz auf Tarifflucht und Massenentlassungen. Zuständig ist Manager Dirk Lessing. Seine neueste Idee: 250 der 787 Frauen und Männer, die bei Schäfer arbeiten, sollen in eine Gesellschaft in Nordrhein-Westfalen ausgelagert und zum schlechter dotierten NRW-Speditionstarifvertrag beschäftigt werden. Vorerst. 110 weitere Entlassungen drohen noch in diesem Jahr. Es wären nicht die ersten: Hatte Schäfer Shop, ein Versandhandel für Büroartikel und Werbegeschenke, Ende 2008 noch 1430 Beschäftigte, waren es Ende 2010 nur noch 790. Lange Zeit hat die Bevölkerung davon kaum etwas mitbekommen, doch das hat sich inzwischen geändert. Die Bilanz von Dirk Lessing mag für Schäfer eine Renditeoptimierung sein, für die Familien in und um Betzdorf ist sie fatal. Bei dem jüngsten Angriff auf Arbeitnehmerrechte aber regte sich zum ersten Mal Widerstand. Nach einer Betriebsversammlung traten mehr als 300 Beschäftigte in den Streik und veranstalteten eine spontane Demo zum Betzdorfer Bürgermeister.

Lebendig und offensiv

Über die ver.di-Initiative SSI blieben die Beschäftigten per Mitgliederbrief ständig auf dem neuesten Informationsstand, es gab Buttons mit auswechselbaren Slogans und mehrere Unterschriftenaktionen. Die Bevölkerung wurde von Anfang an beteiligt. So waren an den Betzdorfer Markttagen Pappschilder in der Schäfer-Firmenfarbe Gelb mit dem Spruch "Lohndumping ohne Not ist der Geschäfte Tod" zu sehen. Eine Sammlung für die Betzdorfer Tafel stand unter dem Motto "Heute sammeln wir für die Tafel, morgen ist die Tafel für uns da", um deutlich zu machen, dass nicht nur die Rausgeworfenen, sondern auch ihre Familien und vor allem die Kinder Leidtragende von Lohndumping und Entlassungen sind. Und beim ver.di-Familientag in der Betzdorfer Innenstadt hieß es: "Schäfer schlachtet seine Herde... und seine Lämmchen." Neben Reden und Gesprächen wurde Kaffee und Kuchen angeboten, die Einnahmen des Tages kamen dem Kinderschutzbund zugute.

Solidarität von Kolleginnen

Die ver.di-Strategie der effizienten Streiks mit jeweils nicht zu vielen Beschäftigten und einer offensiven Öffentlichkeitsarbeit hatte für die Beschäftigten den Effekt, dass sie selbst aktiv waren - und brachte die Schäfer Shop-Geschäftsleitung im März zu einem ersten Sondierungsgespräch an den Tisch, obwohl das Unternehmen ursprünglich nicht mit ver.di, sondern nur mit dem Betriebsrat sprechen wollte. Bis zum Redaktionsschluss fanden vier Gespräche mit der Geschäftsführung statt. "Doch die Verhandlungen laufen mühsam", sagt die zuständige ver.di-Sekretärin Maria Rinke. "Nach wie vor beharrt die Geschäftsleitung auf deutlichen Lohnkürzungen. Und auch wenn die Schäfers das nicht gern hören: Ihr Vorgehen, das ist die Methode Schlecker."

Sollte die Geschäftsleitung so schleppend weitermachen, dann denken ver.di, Betriebsrat und Beschäftigte an weitere Aktionen. Ein Aktionskreis kreativer Leute wurde bereits gegründet. Und außerdem freut sich Maria Rinke über das spontane Solidaritätsschreiben von Schlecker-Betriebsräten der Region.