Armin Schäfer

Ein Fitnessstudio brauche ich nicht, denn in meinem Beruf lege ich Jahr für Jahr rund 3 000 Kilometer zurück und bewege dabei täglich kiloweise Briefe, Kataloge und Werbesendungen. Briefträger - oder richtig: Zusteller - bei der Post AG bin ich gern. Doch gelernt habe ich etwas ganz anderes. Nach dem Abitur habe ich an der Freien Universität Berlin Politologie studiert und 1993 mein Diplom gemacht. Ich habe mir mein Studium mit einem Teilzeitjob bei der Post finanziert, und als man mir dort eine Vollzeitstelle anbot, musste ich nicht lange überlegen. Eine feste Arbeit und ein sicheres Einkommen waren wichtig für mich, um bald darauf eine Familie zu gründen.

Die Zeit für Schwätzchen ist vorbei

Anfang der neunziger Jahre hatten Briefzusteller noch Zeit für Gespräche. Für manche Rentnerin war das Schwätzchen mit dem Postboten ein wichtiger sozialer Kontakt. Doch die Bedingungen haben sich rasant verändert. Wer heute Briefsendungen zustellt, hat ein gewaltiges Pensum zu bewältigen, Zeit für einen Plausch bleibt da kaum - zumal die wenigsten Beschäftigten Stammbezirke haben.

Ich habe noch Glück; als Gruppenspringer wechsle ich zwischen fünf gleich großen Bezirken. Aber die nach 2002 eingestellten Beschäftigten sind sehr viel schlechter gestellt, gerade bei der Bezahlung. Erst vor kurzem konnte der Betriebsrat die Praxis der Vier-Wochen-Verträge stoppen. Eine gnadenlose Ausbeutung war das. Nun gibt es mindestens Halbjahresverträge.

Mein wichtigstes politisches Thema ist die Umwelt - im Betrieb wie bei ver.di. Ein wichtiges Feld, das leider auch in der Gewerkschaft oft noch zu kurz kommt. Gerade im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz benötigten Betriebsräte sachkundige Unterstützung, um sinnvolle Betriebsvereinbarungen ausarbeiten zu können. Ich berate die Betriebsrats-Arbeitsgruppe zu Klima und Witterungsbedingungen in meiner Berliner Niederlassung bei Fragen zur Umweltpolitik.

Mir ist wichtig, noch ein Betätigungsfeld neben der Arbeit zu haben. Daher bringe ich mein umweltpolitisches Wissen auch in den Fachbereichsvorstand bei ver.di Berlin ein. Gleichzeitig liegt mir der Status als Arbeiter am Herzen, den verbinde ich mit einem bestimmten Bewusstsein, deshalb bin ich auch im Arbeiterausschuss des Landesbezirks aktiv. Ich komme aus einem sozialdemokratisch geprägten Elternhaus, war Vorsitzender des Sozialistischen Schülerbundes und bis 1989 in der SPD, seitdem nicht mehr, weil mir nicht gefiel, wie die SPD damals den grünen Koalitionspartner bei einer Häuserräumung vorgeführt hat. Heute sehe ich mich als Gewerkschaftsgrünen, ohne Parteizugehörigkeit.

Protokoll: Gudrun Giese