30 Minuten hat Clemens Blauert Zeit, sich mit einem Prüfling auseinanderzusetzen. In 15 Minuten präsentiert der Kandidat seine Projektarbeit, 15 Minuten haben Clemens Blauert und seine Prüferkollegen Zeit, ihm Fragen dazu zu stellen. Dann beraten sie sich und teilen dem Prüfling mit, wie sie seine Leistung beurteilen. Ein Urteil, das Lebenswege entscheiden kann. Dieser besonderen Verantwortung ist sich Blauert bewusst. Er leitet die IT-Abteilung des Evangelischen Johannesstifts in Berlin und prüft angehende Fachinformatiker.

Wer ausbildet, möchte auch Prüfungen abnehmen

"Wichtig ist es, den Prüflingen gegenüber offen zu sein. Für sie ist das eine schwierige Situation, meist sind sie aufgeregt", sagt Blauert. Er versucht, die Prüflinge in ein Gespräch zu verwickeln, in dem sie zum Erfolg in der Prüfung kommen. Klappt es nicht, erläutern er und seine beiden Mitprüfer das den Durchgefallenen meist in einem längeren Gespräch.

Clemens Blauert bildet auch selber aus. Da lag irgendwann der Wunsch nahe, bei anderen Prüfungen abzunehmen. Er nahm zu ver.di Kontakt auf, wurde qualifiziert und einige Zeit später von der Industrie- und Handelskammer zum Prüfer berufen.

"Die Qualität des dualen Ausbildungssystems steht und fällt mit der Qualität der Prüfungen", sagt Gunther Steffens, Leiter des Bereichs Qualifizierung beim ver.di-Bundesvorstand. Deshalb engagiert sich ver.di im Prüfungswesen. Zurzeit fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung die drei ver.di-Projekte "Gewinnung", "Betreuung" und "Qualifizierung" für Prüfer/innen. Die beiden erstgenannten laufen in der Modellregion Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Hier wirbt ver.di derzeit gezielt Kolleg/innen aus allen Berufsfeldern, die gerne mit jungen Menschen umgehen, mindestens drei Jahre Berufserfahrung haben und die bereit sind, für dieses Ehrenamt ihre Freizeit einzusetzen.

Prüfer/innen werden aber in allen Bundesländern gebraucht. Interessent/innen bietet ver.di eine umfassende Qualifizierung, denn "wir wollen sie nicht ins kalte Wasser werfen", sagt Annegret Biller, Leiterin der Projekte bei ver.di. Am Anfang steht eine einwöchige Schulung, später gibt es immer wieder Seminare, bei denen Wissen aufgefrischt und Erfahrungen ausgetauscht werden können. Ergänzend dazu wird, ausgehend von der Modellregion, zurzeit eine Website aufgebaut.

Pro Prüfling drei Stunden Vorbereitung

Clemens Blauert steht pro Jahr rund 20 Prüflingen gegenüber. Für jeden braucht er drei Stunden Vorbereitungszeit. Seine Freizeit, denn das Prüferdasein ist in Deutschland ein Ehrenamt. Aber es ist Freizeit, die er gerne investiert. "Mich interessiert die Bandbreite an unterschiedlichen Menschen. Außerdem bekomme ich Denkanstöße für die Ausbildung in unserem Betrieb", sagt er. Und fügt hinzu: "Es ist vor allem auch eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe." www.pruef-mit.de