Jahrelang standen die etwa 500 Beschäftigten des Buchgroßhändlers Libri im hessischen Bad Hersfeld bei der Bezahlung wesentlich schlechter da als ihre Kolleg/innen in tarifgebundenen Betrieben. Doch damit ist nun Schluss: Das Unternehmen schloss mit ver.di einen Anerkennungstarifvertrag ab und seit Juli werden alle, die bei Libri arbeiten, auf der Basis des Tarifvertrags für den Groß- und Außenhandel bezahlt.

"Ohne die große Streikbereitschaft der Belegschaft wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen", sagt Mechthild Middeke, ver.di-Sekretärin im Bezirk Nordhessen. So hatten im Dezember des vorigen Jahres die meisten Beschäftigten, nämlich 90 Prozent von ihnen, für zwei Stunden die Arbeit niedergelegt. In der zweiten Aprilhälfte beteiligten sich bis zu 350 Frauen und Männer an einem Warnstreik, der über mehr als 20 Stunden lief.

"Die Stimmung ist jetzt natürlich sehr gut, weil wir durch eigenes Engagement eine Rückkehr in die Tarifbindung erreicht haben", sagt die Libri-Betriebsratsvorsitzende Silvia Sander. Verdienten die Beschäftigten zuvor auf einer Vollzeitstelle 1651 Euro brutto und damit rund 190 Euro weniger als Beschäftigte, die nach Tarif bezahlt werden, gibt es seit Juli 95 Prozent vom aktuell gültigen Entgelttarif des Groß- und Außenhandels, rund 1749. Zum 1. Juli 2012 werden dann 96 und wieder ein Jahr später 97 Prozent des Tarifentgelts gezahlt. Die Auszubildenden bei Libri erhalten seit Juli die volle tarifliche Vergütung.

Und das ist die Vorgeschichte: Der Arbeitgeber war Ende 2004 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten und hatte seitdem die Löhne nicht mehr erhöht. "Es gab zwar ,freiwillige‘ Einmalzahlungen und Zulagen, doch insgesamt war die Situation sehr unbefriedigend, zumal der Arbeitgeber in den schlechteren Logistiktarifvertrag wollte", sagt Mechthild Middeke. Schließlich habe sich Libri mit dem Abschluss des Anerkennungstarifvertrags dem Druck der Beschäftigten gebeugt. Viele von ihnen sind während der Auseinandersetzung ver.di-Mitglieder geworden; der Organisationsgrad stieg in wenigen Monaten von 18 auf rund 60 Prozent.

Es bleibt viel zu tun

Doch trotz dieses Erfolgs ist nicht alles bei Libri eitel Sonnenschein. Große Probleme haben die Beschäftigten nach wie vor mit den unregelmäßigen Arbeitszeiten. "Wir arbeiten nicht nur im Schichtsystem, sondern haben zudem oft ein flexibles Arbeitsende", sagt Silvia Sander. Da die Buchbestellungen sehr kurzfristig beim Großhändler eingehen, ist die Planung der Arbeitszeiten schwierig. "Mit einem gewissen Maß an Flexibilität müssen wir wohl leben", vermutet die Betriebsratsvorsitzende. "Doch sollten die Beschäftigten mehr Verlässlichkeit bekommen, was ihre Arbeitszeiten betrifft."

Derzeit kann es Libri-Mitarbeiter/innen passieren, dass sie nach der Mindestarbeitszeit von fünf Stunden pro Tag nach Hause geschickt werden, mit der Freizeit aber wenig anfangen können, weil sie völlig unerwartet kommt. Umgekehrt gibt es Schichten, die zehn und mehr Stunden dauern, so dass der Feierabend nicht planbar ist.

Der Arbeitgeber hat die bisherige Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit gekündigt. Erste Gespräche über eine neue Vereinbarung haben stattgefunden, allerdings "ohne jede Annäherung", so Silvia Sander. Sie ist sich mit Mechthild Middeke einig, dass am Ende eine Lösung herauskommen muss, die den Beschäftigten eine bessere Planung ihrer Zeit ermöglicht und sie weniger belastet. Gudrun Giese