Das hat es schon lange nicht mehr gegeben: Etwa 100 Drucker und Helfer aus der Tiefdruckerei Prinovis in Nürnberg streiken. Sie fordern einen Sozialtarifvertrag und die Anerkennung des Tarifvertrags der Druckindustrie. Vor allem sind sie jedoch wütend darüber, dass das vom Bertelsmann-Konzern dominierte Tiefdruckunternehmen Prinovis rund 140 Beschäftigte aus der Gruppe derer entlassen will, die das so genannte Bündnis nicht unterzeichnet haben.

Es ist bereits das zweite Bündnis, auf das sich die Mehrheit des Betriebsrats auf Wunsch des Unternehmens eingelassen hat. Danach schrumpfen Urlaubs- und Weihnachtsgeld, zusätzlich muss jeder drei Stunden pro Woche unbezahlt arbeiten. Im Gegenzug verspricht Prinovis bis zum Jahr 2015 sichere Jobs.

Dafür war Prinovis rührig. Abteilungsleiter riefen zu Hause an und versicherten der Ehefrau, wie wichtig es sei, dass ihr Mann den neuen Arbeitsvertrag unterschreibt, wenn er seinen Job behalten will. 600 der 800 Beschäftigten ließen sich darauf ein. Beim ersten Bündnis waren es noch mehr. Doch das Murren in der Belegschaft wird lauter, der Widerstand größer. Und das besonders, nachdem sich herausgestellt hat, dass diejenigen, die sich verweigert haben, ihren Arbeitsplatz verlieren sollen.

Das System Bertelsmann

ver.di-Streikleiter Hans Killer nennt es das System Bertelsmann, mit dem der Konzern jeden Einzelnen erpresst: "Wer nicht pariert, fliegt raus."

Prinovis-Unternehmenssprecher Alexander Adler versteht den Vorwurf nicht. Der Standort Nürnberg habe 2010 Verluste gemacht, und auch dieses Jahr seien rote Zahlen zu erwarten. "Alle verzichten, auch das Management." Wer nicht verzichtet, muss gehen. Wer mitmacht, wird belohnt. So will Prinovis die im Juni 2011 von ver.di erreichte Einmalzahlung nur den Bündniswilligen zahlen, die anderen sollen leer ausgehen.

Fragt sich, ob Prinovis damit durchkommt? Tarifliche Leistungen stehen Gewerkschaftsmitgliedern zu, unabhängig von einem Bündnis. Rechtlich nicht haltbar sei es, diejenigen zu entlassen, die beim Bündnis nicht mitmachen, sagen gewerkschaftsnahe Juristen. Auch ein Konzern könne die Sozialauswahl im Kündigungsschutz nicht aushebeln. Die besagt, dass die zu kündigen sind, die am wenigsten hart betroffen wären. Prinovis gibt sich dagegen zuversichtlich, dass die Sonderregelung vor Gericht Bestand hat.

Der Betriebsrat hat sich Sachverständige dazugeholt, um das Paket juristisch und betriebswirtschaftlich prüfen zu lassen. Doch der Arbeitsrechtler Wolfgang Manske springt ab. Die Belegschaft weiß, dass Manske vom Bündnis abrät, weil der Kündigungsschutz ausgehebelt wird. Manske geht, ihm folgt ein Jurist, der empfiehlt, das Bündnis anzunehmen. Auch ein betriebswirtschaftlicher Berater des info-Instituts befürwortet das Bündnis, später zieht das Institut diese Einschätzung zurück. Für die Beschäftigten ist das nur noch schwer zu durchschauen. Die Gefahr sei groß, dass mit dem ausgehandelten Bündnis neuer Druck auf die anderen Prinovis-Standorte in Itzehoe und Ahrensburg ausgeübt wird, befürchtet ver.di. Die Gewerkschaft war bei den Verhandlungen nicht dabei.

"Die Belegschaft hat sich mehr abpressen lassen als notwendig", sagt ver.di-Vize Frank Werneke. ver.di hätte auf eine tarifliche Regelung und Arbeitszeitverkürzung gesetzt. Und nicht zugelassen, dass die, die sich nicht willig zeigen, ihre Arbeit verlieren sollen. Michaela Böhm

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