Bedrückende Lage: zwischen zwei E.ON-Kühltürmen

Von Monika Goetsch

Der Schock sitzt tief bei den Beschäftigen des E.ON-Konzerns in Bayern. Seit der Vorstand des Düsseldorfer Energieriesen die Schließung der Zentrale seiner Tochter E.ON Energie AG in München angekündigt hat, herrscht Verunsicherung. Sollte das Haus in bester Lage der bayerischen Landeshauptstadt tatsächlich geschlossen werden, verlören hier 400 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz.

"Die Betroffenheit ist ernorm", sagt Jürgen Feuchtmann, ver.di-Fachbereichsleiter Ver- und Entsorgung im Landesbezirk Bayern. "Der Verdacht liegt außerdem nahe, dass man nach der Schließung des Standorts auch das edle Gebäude in Bestlage vermarkten will."

Weltweiter Stellenabbau

Die Stimmung auf der letzten Betriebsversammlung in München beschreibt er als gedrückt. In Einzelgesprächen wurde deutlich, welche Folgen die Konzernentscheidung für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätte. Jürgen Feuchtmann weiß von alleinerziehenden Müttern, für die ein Arbeitsplatzwechsel nach Düsseldorf völlig unmöglich wäre, und sagt: "Ein Arbeitsplatzverlust wäre für jeden eine Katastrophe." Und nicht nur den E.ON-Mitarbeiter/innen in der Münchener Zentrale droht die Schließung. Bis zu 11.000 von seinen 79.000 Stellen will der Energiekonzern weltweit abbauen, davon mindestens die Hälfte in Deutschland. Schlimmstenfalls müsste fast jeder siebte Beschäftigte des größten deutschen Energieunternehmens seinen Arbeitsplatz räumen. Vor allem die Verwaltung soll auf diese Weise "verschlankt" werden. Neben dem Standort München stehen auch die Verwaltungsschwerpunkte in Düsseldorf, Essen und Hannover zur Diskussion.

Tatsächlich hat E.ON Einbrüche zu verzeichnen. Gegenüber der Presse macht der Konzern für die bevorstehenden Sparmaßnahmen vor allem den neuen Kurs der Bundesregierung in der Atompolitik verantwortlich. Der nach dem Reaktorunglück in Fukushima beschlossene Atomausstieg und die Brennelementesteuer, so E.ON, hätten den Konzern "schwer belastet". Ein 1,9 Milliarden-Verlust sei dadurch bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres entstanden, verkündete der Vorstand.

Für Jürgen Feuchtmann ist das ein vorgeschobenes Argument. "Verschwiegen wird, dass der Konzern nicht sauber gewirtschaftet hat." So habe man sich bei den Verträgen mit der russischen Firma Gazprom über Gaslieferungen vergriffen "und Beteiligungen viel zu teuer eingekauft". Kündigungen sind für den Gewerkschafter der falsche Weg. "Kündigungen und Schließungen schädigen Ruf und Namen eines Unternehmens. Man hat den Kunden nicht mehr auf seiner Seite, ebenso wenig die Politik. Man verspielt das Vertrauen der Beschäftigten."

Dabei sind die Herausforderungen groß, vor der die deutsche Energiebranche steht. Die Frage ist, wie der Grundbedarf auf lange Sicht kostengünstig und umweltschonend gedeckt werden kann. So werden innovative, intelligente Netze benötigt. Aber zu solchen Fragen, kritisiert Jürgen Feuchtmann, äußere sich der E.ON-Vorstand, der "grundsätzliche Weichenstellungen" verspricht, derzeit nicht.

Die ver.di-Forderungen

Bis Ende 2012 gilt für einen Großteil der E.ON-Beschäftigten ein Kündigungsschutzabkommen. ver.di fordert, das Abkommen auf alle Beschäftigten auszudehnen und zu verlängern, die Pläne des Konzerns offenzulegen, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten und alle Standorte zu erhalten. ver.di-Mann Jürgen Feuchtmann hält indessen bayern- und bundesweite, ja weltweite Proteste für möglich und ist optimistisch: "Die Schließung ist nicht gottgegeben. Noch können wir etwas ändern."