Der Rat: S. Furmannek, S. Bagit, J. Richter, R. Otto, A. Steding (v.l.)

Der Versuch des schwedischen Modekonzerns Hennes & Mauritz, den fünfköpfigen Betriebsrat der Berliner Filiale in der Friedrichstraße mit Hilfe des Arbeitsgerichts loszuwerden, ist gescheitert. Auf freundliche Empfehlung des vorsitzenden Richters hat H&M Mitte August in einer Anhörung seinen Antrag auf Amtsenthebung des Betriebsrats wegen angeblichen "Missbrauchs der Mitbestimmung" zurückgenommen. Die gewählten Arbeitnehmervertreter dürfen weiter ihrer Arbeit nachgehen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erteilte H&M den Rat, "zu vergessen und nach vorne zu denken".

Die Dinge vor Ort regeln

Hintergrund des Amtsenthebungsantrags ist die mehrfache Ablehnung der Dienstpläne durch den Betriebsrat der Filiale in der Friedrichstraße. Er hatte die Zustimmung zu den Dienstplänen dreimal mit Hinweis auf die zu geringe Zahl der Mitarbeiter/innen verweigert. Die Zahl müsse erhöht werden, ansonsten seien die Dienstpläne in dieser Form gesundheitsschädlich. "Wenn an einem Samstagabend in einer so großen Filiale nur zwei statt der üblichen fünf Kollegen eingeteilt werden, dann sind sie überlastet", sagt Jan Richter, der Betriebsratsvorsitzende. Die Betroffenen hätten beim Betriebsrat um Hilfe gebeten, da sie "das einfach nicht schaffen können".

Die Zahl der Mitarbeiter/innen müsse generell erhöht werden, was ver.di schon lange vom Konzern fordert. Im Verlauf der zweistündigen Verhandlung erschien dem Richter denn auch "eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat möglich", sofern H&M seinen Antrag zurückziehe. Man solle sich vor Ort an einen Tisch setzen und die Dinge regeln. Der Richter lächelnd: "Mitbestimmung leben und leben lassen."

Knapp daneben ist auch vorbei

Entsprechend groß waren Freude und Erleichterung der Arbeitnehmervertreter/innen nach dem Richterspruch, für die Beklagten ging es schließlich auch um ihre berufliche Existenz. "Der Arbeitgeber wollte ein Exempel statuieren", sagt ver.di-Sekretär Johann Rösch. Er sieht den Versuch, auf einen Schlag einen Betriebsrat loszuwerden, als "bisher einmalig" und perfiden Höhepunkt einer Tradition der Diskriminierung bei H&M. "Da pickt man sich gern eine Person aus dem Gremium heraus und belegt sie mit Sanktionen. Da hagelt es Abmahnungen, Gehaltsabzug bei Betriebsratstätigkeiten, und Weiterbildungsmaßnahmen werden behindert", erzählt Jan Richter. So mussten 2009 drei Mitglieder des Wahlvorstands in Trier Gehaltskürzungen und Abmahnungen hinnehmen. Die Duisburger Betriebsrätin Marta Spacir-Facone wurde wegen einer angeblich falschen Reisekostenabrechnung vor Gericht gezerrt - und gewann. Zwölf Abmahnungen machten Kathrin Feldmann aus Wiesbaden das Leben schwer. Einer Alleinerziehenden wurde fristlos gekündigt, und Stuttgarter Betriebsräte bekamen eine wahre Abmahnungsorgie zu spüren.

597 neue Freunde

"Ein gestörtes Verhältnis zu Arbeitnehmervertretern", attestiert Johann Rösch dem Modekonzern folgerichtig. Ausgerechnet das H&M-Betriebsräteteam aus der Friedrichstraße aber wurde erst unlängst wegen seiner guten Arbeit für den Deutschen Betriebsrätepreis 2011 nominiert, die größte Auszeichnung für betriebliches Engagement.

Auch Sabine Furmannek ist die Anspannung nach dem Prozess anzumerken. Sie arbeitet im Betriebsrat mit an der "Betriebsvereinbarung Shop-Umbau" und in der "AG optimale Besetzung". "Wir werden das Problem mit der Personaldecke jetzt forciert angehen, die Mitarbeiter sind zu überlastet. Wenn nötig, werden wir Gefährdungsbeurteilungen für einzelne Arbeitsplätze durchführen. Darüber muss dann mit H&M verhandelt werden."

Hocherfreut ist sie über die vielen Solidaritätsmails und Anrufe aus der ganzen Republik. Zur Verhandlung waren rund 50 Kolleginnen und Kollegen aus den H&M-Filialen Berlins persönlich erschienen, die Verhandlung wurde deshalb in einen größeren Saal verlegt. Der Kunde Benjamin Rücker hatte zuvor spontan die Facebookseite "H&M-Betriebsräte unterstützen" ins Leben gerufen und binnen Stunden 597 neue Freunde gewonnen. Das Logo der Seite zierte dann auch den Gerichtssaal - auf eigens dafür gedruckten T-Shirts. Auf denen verkündet Humphrey Bogart: "Harte Zeiten erfordern starke Betriebsräte."