Ein Herz für den Einzelhandel. Warnstreik in Düsseldorf

An der Spitze des Handelsriesen Metro wurde einst die Parole "Handel ist Krieg" geprägt. Gemeint ist ein ruinöser Wettbewerb der Unternehmen um Umsatz- und Gewinnanteile. Dabei sollen möglichst viele Konkurrenten ausgeschaltet werden. Wie sehr sich dieser Feldzug auf die aktuelle Tarifrunde für den Einzel- und Versandhandel auswirkt, zeigt sich am Verhalten des Handelsverbandes HDE. Dort ist man sich in einem Punkt einig wie selten: Der "Faktor Arbeit" soll per Tarif an einigen Stellen erheblich billiger gemacht werden. Das allerdings provoziert immer neue Streiks, die ver.di Anfang Juni noch ausgeweitet hat. Im Fokus stehen dabei auch Tarifverweigerer wie der weltgrößte Internet-Versandhändler Amazon, die Gartencenter Dehner und die Karstadt-Warenhäuser.

Die Fronten sind verhärtet. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung spricht von einer "Zerreißprobe für den Flächen-tarifvertrag". In der ersten Juni-Woche haben die Händler die Katze endgültig aus dem Sack gelassen. ver.di soll einem Ausverkauf bei den Manteltarifverträgen und in der Entgeltstruktur zustimmen. Vorher wollen die Arbeitgeber, die das als Modernisierung verkaufen, kein eigenes Angebot machen. "Die Unternehmen, die im Moment das Sagen haben, wollen uns Verschlechterungen aufzwingen", kritisiert ver.di-Tarifexperte Rüdiger Wolff. "Diese Rechnung wird nicht aufgehen." Die Gewerkschaft fordert zum Schutz der Beschäftigten überall die sofortige Wiedereinsetzung der Manteltarifverträge und spürbare Einkommensverbesserungen - in den meisten Bundesländern jeweils einen Euro mehr pro Stunde, mindestens aber 140 Euro monatlich oder ein Plus von 6,5 Prozent beim Entgelt sowie mehr Geld für die Auszubildenden.

Der fahrlässige Umgang der Arbeitgeber mit den Flächentarifverträgen läuft auf einen generellen Konflikt hinaus. Ihnen geht es zum Beispiel um eine schlechtere Eingruppierung von Kassiertätigkeiten, so die am 4. Juni in Baden-Württemberg formulierte Forderung. Zusätzlich sollen eine neue Niedriglohngruppe und der Wegfall aller Zuschläge für sogenannte Hilfstätigkeiten wie das Auffüllen von Regalen durchgesetzt werden. Ähnliche Gruselkataloge, die zudem die völlige Flexibilisierung der Arbeitszeiten enthalten, werden in den übrigen Tarifregionen präsentiert.

"Wir werden nicht zulassen, dass der Verdrängungswettbewerb der Konzerne auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird", sagt ver.di-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger, die mit einer anhaltend guten Streikbereitschaft in vielen Belegschaften rechnet. "Wenn es hart auf hart kommt, zeigt sich besonders deutlich, wie wertvoll der Schutz existenzsichernder Tarifverträge ist."

Nach ersten breit angelegten Arbeitsniederlegungen in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen hat ver.di jetzt den Streikradius ausgeweitet. In verschiedenen Tarif- regionen sind Firmen wie Real und Kaufland, die Modeketten H&M, Zara und Esprit, die Warenhäuser Karstadt und Galeria Kaufhof sowie Baumärkte von Praktiker, Obi und Dehner-Gartencenter betroffen. Gestreikt wurde bis zur ersten Juni-Woche auch in Möbelhäusern von Ikea sowie bei Rewe und Edeka mit ihren Discount-Töchtern Penny und Netto. Hinzugekommen sind Betriebe großer Unternehmen in Hamburg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Thüringen, Niedersachsen, Bremen und Schleswig-Holstein.

3000 streiken bei Amazon

Für besonderes Aufsehen sorgen viele Beschäftigte der Versandzentren von Amazon in Bad Hersfeld und Leipzig. Sie legten am 3. Juni bereits zum dritten Mal innerhalb von drei Wochen die Arbeit nieder. Insgesamt wurden bei den Streiks rund 3000 Beteiligte gezählt. ver.di will erreichen, dass sich die Geschäftsführung in einem Anerkennungstarifvertrag zu den Konditionen des Einzel- und Versandhandels bekennt. Das bedeutet zwischen 1,36 Euro und 2,25 Euro mehr pro Stunde beim Einstiegslohn, Sonderzahlungen und die branchenüblichen Zuschläge.

Bisher lehnt die Amazon-Spitze Tarifverhandlungen ab. Der Versandhändler will sich offenbar noch mehr Ärger ins Haus holen. Was Anfang Juni auch für den übrigen Einzelhandel galt.

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