Zehntausende Postbeschäftigte streiken, oft flächendeckend, teils mehrtägig. Ihr Ärger ist groß. Vor der Tarifverhandlung Ende April zeigten sie ihn. Pakete, aber auch Briefe blieben bergeweise liegen. "Der Vorstand sorgt dafür, dass seine Taschen voll sind - und bei uns kommt nichts an", empören sich viele Postler. Miese Arbeitsbedingungen und wachsende psychische Belastung beklagen sie. Die Post produziere operatives Chaos. Was ist los beim gelben Riesen?

Die Deutsche Post AG wirbt für sich als "Top-Arbeitgeber". Tatsächlich gab es jahrzehntelang für gute Arbeit ordentliches Geld. Doch davon rückt man nun ab. Seit zu Jahresanfang 49 Regionalgesellschaften gegründet und Paketdienstleistungen in diese Töchter ausgelagert wurden, konstatiert ver.di Vertragsbruch und Tarifflucht: "Die Mitglieder sind richtig sauer." Sie sehen einen klaren Angriff auf die Sozialpartnerschaft.

Befristet Beschäftigte werden gedrängt, in die regionalen Gesellschaften zu wechseln. Doch dort gilt nicht mehr der Haustarif der Post, sondern der jeweilige Flächentarif der Speditions- und Logistikbranche. Das bedeutet weniger Entgelt mit regionalen Unterschieden. 3800 zuvor bei der Post Beschäftigte sind mittlerweile in eine Delivery GmbH gewechselt, um nicht ohne Arbeit dazustehen. Insgesamt leisten in den neuen Gesellschaften bereits mehr als 5000 Menschen das Gleiche wie die Postangestellten nebenan, bekommen dafür aber weniger.

Zurück auf den Boden der Vertragstreue

In Paketzentren wie in Brandenburg werden neuerdings auch Leiharbeiter in großem Stil eingesetzt. Ein Skandal, denn: "Die Deutsche Post AG steht wirtschaftlich hervorragend da, sie könnte sich die Bezahlung nach dem besseren Haustarifvertrag für alle Beschäftigten leisten", sagt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis.

Der Konzern kalkuliert anders: Über einen enorm langen Zeitraum, bis 2020, hat man Aktionären und Investoren Gewinnsteigerungen von heute drei auf fünf Milliarden Euro im Jahr versprochen. "Diese Milliarden will die Post offenbar bei den Beschäftigten abkassieren", kritisiert die Gewerkschafterin. Man werde die Arbeitskämpfe fortsetzen, der Vorstand müsse auf den Boden der Vertragstreue zurückgeholt werden.

Für kürzere Arbeitszeit

Dafür kämpft ver.di an verschiedenen Fronten: Vor dem Arbeitsgericht Bonn klagt die Gewerkschaft wegen des Vertragsbruchs. Denn ein bis Ende 2015 vereinbartes Schutzpaket verbietet es der Deutschen Post, mehr als 990 Zustellbezirke an fremde Unternehmen zu vergeben. Dafür verzichten die Beschäftigten auf freie Tage und Kurzpausen. Tariflich fordert ver.di deshalb für alle 140.000 Postbeschäftigten eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich.

Ein Vorstandsmodell, wonach Beschäftigte ihre Arbeitszeit individuell zwischen 34 und 41 Stunden "spreizen", also sogar verlängern könnten, hat ver.di in den Verhandlungen zurückgewiesen.

Doch der Konzern mauert, da bald Verhandlungen über die Bezahlung anstünden. Verhandlungsführerin Andrea Kocsis hält dagegen: "Selbstverständlich könnte die Post mit uns auf der Basis der geltenden Löhne über Arbeitszeitverkürzung sprechen." Mit den aktuellen Warnstreiks werde jetzt der Druck auf die Arbeitgeberseite erhöht.

Tatsächlich stehen die Lohnverhandlungen für die Tarifkräfte der Post AG kurz bevor. Der Entgelttarifvertrag ist zum 31. Mai gekündigt. Und schließlich befindet sich ver.di nicht nur mit der Deutschen Post AG, sondern auch mit der zum Konzern gehörenden DHL Home Delivery GmbH in einer Tarifauseinandersetzung. Für die 2000 Beschäftigten dort sind Lohnsteigerungen von 5,5 Prozent gefordert. Da sich auch an diesem Verhandlungstisch bisher nichts bewegt, gab es bereits erste Warnstreiks. Top-Arbeitgeber agieren anders.