Streiks und Proteste bei Sebald in Nürnberg - 106 Kreuze für 106 Kündigungen

Bei Sebald in Nürnberg haben Anfang Mai fünf Schichten die Arbeit niedergelegt, alle fünf Tiefdruckmaschinen blieben ausgeschaltet. Die Belegschaft hat vor dem Werkstor gegen den Sparkurs der Schlott-Gruppe protestiert. Wer den Betrieb betreten wollte, musste ein Spalier aus 106 Holzkreuzen passieren. Jedes Kreuz ein Symbol für eine Entlassung.

Die Schlott-Gruppe, Europas zweitgrößtes Tiefdruckunternehmen, will bei ihrer Sebald-Tochter fast ein Viertel der 470-köpfigen Belegschaft kündigen. Mehr noch: Schlott möchte 90 Helfer in eine GmbH ausgliedern, um damit den Tarifvertrag der Druckindustrie loszuwerden. Die Helfer würden ein Viertel weniger verdienen und müssten 40 statt 35 Stunden arbeiten.

Streikbruch

Vor dem Tor Proteste, im Betrieb Verhandlungen in der Einigungsstelle: Zum dritten Mal streikten die Nürnberger, jedes Mal ein wenig länger. Der Druck auf die Geschäftsleitung wird größer, jetzt hat sie sich durchgerungen, wieder mit ver.di zu verhandeln.

Allerdings ist es nicht gelungen, in Nürnberg die komplette Produktion zu verhindern. Die Wirtschaftswoche wurde dennoch gedruckt. Ausgerechnet in der Nachbarschaft, ausgerechnet bei Prinovis, dem schärfsten Konkurrenten der Schlott-Gruppe.

"Ich begreife nicht, wieso die Kollegen bei Prinovis nicht mehr Mut zeigen und sich dem Streikbruch widersetzen", sagt Sebald-Betriebsrat Albert Knedlik. Schließlich werde die Prinovis-Belegschaft ebenso unter Druck gesetzt, den Tarifvertrag zu brechen, länger zu arbeiten und die Maschinen künftig mit weniger Druckern zu besetzen. Der Betriebsrat von Prinovis Nürnberg wollte sich gegenüber ver.di PUBLIK nicht dazu äußern.

Europaweite Krise

Der Tiefdruck - hier werden Versandhauskataloge und Zeitschriften in hoher Auflage gedruckt - steckt europaweit in einer Krise. Was Wirtschaftswissenschaftler als Marktbereinigung bezeichnen, ist tatsächlich ein gegenseitiger Unterbietungswettbewerb der Unternehmen auf Kosten der Belegschaften. Die Liste der Stellenstreicher wird immer länger: Europas Marktführer Prinovis, hinter dem mehrheitlich Bertelsmann steckt, will Ende 2008 das Werk in Darmstadt schließen und erwägt offenbar die Schließung eines weiteren Standorts. Entlassungen soll es auch bei TSB in Mönchengladbach geben, Badenia droht mit der Schließung des Karlsruher Werks, Bauer Druck in Köln hat sich aus dem Tarifvertrag verabschiedet und will die 40-Stunden- Woche einführen.

Doch es gibt Anzeichen dafür, dass sich Betriebsräte und Belegschaften gemeinsam gegen den Wettlauf der Unternehmen um die schlechtesten Arbeitsbedingungen und niedrigsten Löhne zur Wehr setzen und nicht mehr jeder Betrieb für sich allein kämpft. Erst kürzlich haben die Tiefdrucker aus der gesamten Branche verabredet, sich künftig gegenseitig mit Aktionen zu unterstützen und keinen Streikbruch zuzulassen. Mit Warnstreiks und Demonstrationen gehen die Tiefdrucker gegen Werkschließungen, Kündigungen und Lohnsenkungen vor. Das könnte der Auftakt von bundesweiten Aktionen sein, denn kaum ein Standort bleibt mehr von den Zumutungen der Arbeitgeber verschont.

Michaela Böhm