76,5 Prozent der Mitglieder sagen Ja zur Tarifeinigung vom 31. März

In der Satzung ist sie nicht vorgesehen: die "aufsuchende Mitgliederbefragung". Trotzdem hat ver.di sie erstmals gewagt - und gewonnen: Vom 2. bis zum 16. April 2008 schwärmten ver.di-Aktive bundesweit in mehr als 4000 Betrieben und Dienststellen aus und fingen in zumeist selbst gebastelten Wahlurnen die Stimmung im Land ein. Von 189000 teilnehmenden Mitgliedern votierten 145000, also 76,5 Prozent, für die Tarifeinigung vom 31. März mit Bund und Kommunen.

Die Bundestarifkommission hatte empfohlen, den Kompromiss anzunehmen. Dem konnten die Mitglieder nun folgen oder nicht. Wer nicht zustimmen wollte, bekundete zugleich die Bereitschaft, "für ein besseres Ergebnis zu streiken". Der Befragungsbogen enthielt die Kernpunkte des "nach massiven Warnstreiks und einer erfolglosen Schlichtung" erreichten Verhandlungsergebnisses - gelb für den Geltungsbereich des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, weiß für die Krankenhäuser, grün für die Versorgungsbetriebe, blau für den Nahverkehr.

Die Befragung, so wurde durchweg berichtet, kam bei den Mitgliedern "ausgesprochen gut" an - weil ihnen das Ergebnis bei dieser Gelegenheit sachkundig erklärt wurde und weil sie der Organisation dazu ihre eigene Meinung mitteilen konnten. Für viele war das eine erfrischende Erfahrung. "Die Mühe war es wert", so das Fazit. Verbreitet ist daher der Wunsch, dieses Instrument auch künftig zu nutzen und weiterzuentwickeln.

Zusammenhalt gestärkt

Ein "richtig positives Echo" meldete zum Beispiel Hannes Döhring aus Erfurt zurück. Volker Mörbe hob die "sehr gute Beteiligung" im Klinikum Stuttgart hervor. Heike Schlesinger aus Hamburg ist "überall in der Dienststelle rumgegangen" und fand es wichtig, dass "die Beschäftigten alle Fragen, die sie auf dem Herzen hatten, dabei auch loswerden konnten". Reinhard Dudzik aus Bochum sieht den Zusammenhalt im Betrieb gestärkt: "Wir haben 83 Prozent unserer Mitglieder erreicht und wurden von ihnen oft schon mit Kaffee und Kuchen erwartet. Wir mussten dann alles auch aufessen!"

Für den ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske war die Befragung "die mit Abstand radikalste Form der Mitgliederrückkopplung". Er stellte klar, dass deren Ergebnis für ver.di bindend sei. Denn "es lohnt sich, mit den Mitgliedern zu reden und sie aufzusuchen". Nicht zuletzt werde die Gewerkschaft so auch verstärkt wieder zum Thema in den Betrieben.

Weil der Tarifabschluss so vielgestaltig ist, werden die Redaktionsverhandlungen nun ihre Zeit brauchen, so Achim Meerkamp, im ver.di-Bundesvorstand zuständig für die Tarifpolitik im öffentlichen Dienst. Dabei geht es darum, die Einigung vom 31. März in Tarifvertragstexte zu gießen.

Für den 11./12. September 2008 kündigte er eine Klausurtagung der Bundestarifkommission an, die strategische Fragen der Tarifpolitik klären soll. Am 8. Dezember soll sie die Forderung an die Länder beschließen.