Ausgabe 05/2008
Pflege aus dem Leihhaus
Pflege aus dem Leihhaus
Durch Auslagerung in interne Leiharbeitsfirmen versuchen Kliniken, die Bezahlung von Pflegekräften zu drücken. Doch der drohende Mangel an gutem Personal könnte diesen Trend bald stoppen
von HEIKE DIERBACH
Wie hieß nochmal die nette Krankenschwester von gestern?
Petra Winter* wollte schon immer Krankenschwester werden. "Ich mag den Kontakt mit Menschen, mich um sie zu kümmern." Seit drei Jahren arbeitet die 23-Jährige auf der psychiatrischen Station einer Klinik in einer mittelgroßen deutschen Stadt. "Da muss man ein eingespieltes Team sein, um die Patienten gut zu versorgen." Doch wenn es nach dem Willen der Klinikleitung geht, ist damit bald Schluss: Von den 14 Stellen auf der Station sollen 12 ausgelagert werden in eine hauseigene Servicegesellschaft, von der die Klinik dann ihr eigenes Personal leiht. Auch Petra Winter ist betroffen, ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Auf der neuen Stelle würde sie 30 Prozent weniger verdienen, Urlaub gibt es nur 24 statt jetzt 26 Tage, jeder Vertrag läuft nur für ein Jahr, und die Leiharbeiter wären bundesweit einsetzbar. Petra Winter und ihre Kollegen sind sich einig: "Das ist nicht akzeptabel." Nicht nur wegen des geringeren Verdienstes: "Eine psychiatrische Station mit wechselndem Personal funktioniert einfach nicht. Und gerade diese Patienten können sich am wenigsten wehren."
Die Auslagerung ist in Wirklichkeit Tarifflucht
So wie Petra Winter ergeht es vielen Schwestern, Pflegern, Hilfskräften, aber auch Psychologen in Kliniken bundesweit: Um feste Personalkosten zu sparen, werden sie in betriebseigene Servicegesellschaften ausgelagert. Anschließend machen sie zwar oft weiter dieselbe Arbeit - jedoch schlechter abgesichert und meist auch schlechter bezahlt. Bis zu 30 Prozent weniger verdient eine Krankenschwester laut Tarifvertrag Leiharbeit. "Die dauerhafte Auslagerung ist in Wirklichkeit eine Tarifflucht", sagt Oliver Dilcher, Bundesfachsekretär von ver.di für den Bereich Service. "Die Kliniken versuchen, dieselbe Leistung für weniger Geld zu bekommen."
Möglich ist die Dauerauslagerung erst seit der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes 2004, zuvor war der Zeitraum einer Ausleihe zeitlich begrenzt. Nun kann theoretisch eine Klinik eine Schwester vom Ausbildungsende bis zur Rente günstig an sich selbst verleihen. "Das hat viele Häuser motiviert, feste Arbeitsplätze abzubauen und durch Leiharbeiter zu ersetzen", sagt Dilcher. Erhebungen, wie viele Arbeitsplätze bundesweit betroffen sind, gibt es zwar nicht: "Aber das Phänomen beobachten wir bei privaten Kliniken ebenso wie bei kommunalen." Aus Dilchers Sicht ist die Dauerausleihe verdeckte Arbeitsvermittlung und damit rechtswidrig. Manche Träger zahlen ihren internen Leiharbeitern immerhin den gleichen Lohn. "Die meisten versuchen aber zu drücken", sagt Dilcher. Gerade Berufsanfänger haben oft keine andere Wahl, als so eine Ausbeutung zu akzeptieren."
Gute Leute wird es nur gegen guten Lohn geben
Das könnte sich aber bald ändern, meint der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe: "Gutes Pflegepersonal wird knapp", weiß Johanna Knüppel, Referentin für Pflege im Krankenhaus. In manchen Städten im Süden können schon jetzt freie Stellen nicht mehr besetzt werden. "Dieser Mangel wird bald bundesweit spürbar sein. Wer dann noch gute Leute haben möchte, wird gute Gehälter anbieten müssen." Sie rät Schwestern und Pflegern, sich fortzubilden und selbstbewusst zu bleiben: "Die Pflege wird in Zukunft immer mehr Aufgaben übernehmen. Das eröffnet enorme Chancen - auch auf gute Bezahlung."
Den Trend bestätigt auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft, Interessenvertreterin aller 2104 bundesdeutschen Kliniken: "Wer heute gutes Personal bekommen möchte, muss Fortbildungsmöglichkeiten und attraktive Gehälter anbieten", sagt Pressesprecher Daniel Wosnitzka. Nach seiner Einschätzung ist es zurzeit vor allem der Kostendruck durch die Fallpauschalen, der Kliniken motiviert, Stellen auszugliedern: "Ein Mittel, Kosten zu senken, ist natürlich, den Personalbestand zu straffen." Das müsse aber nicht zwangsläufig heißen, interne Leiharbeiter schlechter zu bezahlen. "Wer nur darauf setzt, könnte schnell im Regen stehen. Ärzte werden händeringend gesucht, und bei Pflegekräften sieht es bald ähnlich aus." Wosnitzka sieht den Trend zur Ausgliederung ohnehin nicht sehr ausgeprägt, und er flaue bereits wieder ab: "Es gibt ja auch gute Gründe, mit Festangestellten zu arbeiten. Die Klinikleitung hat dann mehr Einflussmöglichkeiten. Und gerade in der Pflege ist Kontinuität ein Qualitätsmerkmal."
*Name geändert
"Die Pflege wird in Zukunft immer mehr Aufgaben übernehmen. Das eröffnet
enorme Chancen
auch auf gute Bezahlung."
Johanna Knüppel, Referentin für Pflege im Krankenhaus im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe