Der medizinische Wellness-Trainer ist einer der wenigen staatlich anerkannten Berufe unter den neuen Gesundheitsberufen. Ein Gespräch mit Lutz Lungwitz, Vorsitzender des Deutschen Medical Wellness Verbandes, über ein noch unübersichtliches Berufsfeld

ver.di PUBLIK | Herr Lungwitz, wenn ich mir in einem Wellness-Hotel eine Massage geben lasse, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der "Massierende" gerade mal so angelernt ist?

LUTZ LUNGWITZ | Hoch.

ver.di PUBLIK | Es gibt also keinerlei offizielle Auflagen, um physiotherapeutisch tätig zu werden?

LUNGWITZ | Nein.

ver.di PUBLIK | Jeder, der ein Wellnesshotel aufmacht, kann also im Schnelldurchgang den Koch zum Masseur ausbilden?

LUNGWITZ | Genau. Das ist das Problem. Da ist der Verbraucher nicht geschützt. Der Deutsche Medical Wellness Verband hat deshalb eine Arbeitsgruppe Ausbildung und hat sich einen Überblick über die unterschiedlichen Ausbildungswege verschafft. Wir selbst sind Partner des Verbandes für physikalische Therapie VPT und unterstützen den VPT erstmals bei der nachhaltigen Etablierung des Berufsbildes zum medizinischen Präventions- und Wellness-Trainer.

ver.di PUBLIK | Was heißt das?

LUNGWITZ | Der Präventions- und Wellness-Trainer ist ein staatlich anerkannter Beruf, der den Bereich Prävention und Wellness in ein Berufsbild packt.

ver.di PUBLIK | Wie sieht die Ausbildung aus?

LUNGWITZ | Hier hat der VPT eine ganze Menge vorgegeben. Die Ausbildung besteht aus den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung. Und der vierte Bereich ist das Feld Prävention.

ver.di PUBLIK | Wie sieht die Ausbildung konkret aus?

LUNGWITZ | Das sind 400 Stunden. Die Anwärter lernen dabei auch mit Gästen umzugehen. Wir sind mit dieser Ausbildung ein erhebliches Stück weiter.

ver.di PUBLIK | Wie kann sich der Verbraucher vor dem Missbrauch von Medical Wellness schützen?

LUNGWITZ | Als Deutscher Medical Wellness Verband haben wir zusammen mit dem TÜV Rheinland ein Prüfsiegel für Medical Wellness entwickelt. Damit prüfen wir Medical-Wellness-Einrichtungen. Bei dieser Prüfung gilt als wichtigste Voraussetzung, dass ein Arzt in die Betriebsabläufe eingebunden ist. Und die Nachhaltigkeit der Anwendungen dargestellt ist. Es muss einen messbaren Erfolg der Anwendung geben. Entweder der Verbraucher fragt nach, ob die Einrichtung, die er auswählt, das Prüfsiegel hat, dann kann er auch davon ausgehen, dass dort Medical Wellness angeboten wird. Oder der Verbraucher fragt in den entsprechenden Einrichtungen nach, ob ein Arzt vor Ort ist.

ver.di PUBLIK | Die Hotels, die Sie zertifizieren, lassen sich aus eigener Entscheidung prüfen?

LUNGWITZ | Es ist eine freiwillige Entscheidung, sich prüfen zu lassen. Wir glauben aber, dass sich viele Häuser prüfen lassen werden, weil wir momentan im Prozess der öffentlichen Anerkennung unseres Gütesiegels sind, sowohl von den Krankenkassen, als auch von den entsprechenden Bundesministerien. Die Krankenkassen bezuschussen Präventionsaufenthalte. Und hier stellt sich insbesondere die Frage, nach welchen Kriterien entscheiden die Krankenkassen. Wenn wir es gemeinsam schaffen, ein Qualitätssiegel auf den Markt zu bringen, auf das sich die Krankenkassen verlassen können, dann ist das für die Kassen eine Richtlinie und für die Betreiber ein Argument, sich zertifizieren zu lassen.

ver.di PUBLIK | Wie viele Betriebe sind inzwischen in ihrem Verband?

LUNGWITZ | 18 Betriebe sind momentan zertifiziert, und die Zahl der Anfragen ist hoch. Jedoch müssen in den jeweiligen Hotels meist noch weitere Voraussetzungen geschaffen werden, die eine Zertifizierung erst ermöglichen. Das dauert seine Zeit.

ver.di PUBLIK | Das sind nicht viele. Ist Medical Wellness nur etwas für Reiche?

LUNGWITZ | Nein, das würden wir als Verband nie unterschreiben. Ich glaube, man kann auch Prävention in seinen Lebensalltag bringen, ohne große finanzielle Mittel aufbringen zu müssen.

ver.di PUBLIK | Es muss also nicht unbedingt das Fünfsternehotel auf Usedom sein. Wäre es nicht ohnehin einfacher, die Angebote in den Kurorten mit ihrer medizinischen Infrastruktur und dem ausgebildeten Personal wahrzunehmen, als in ein Privathotel zu gehen?

LUNGWITZ | Nein. Natürlich spielen der Kurbegriff und die Kurorte eine wesentliche Rolle in dem Gesamtfeld Medical Wellness. Aber das Ziel bei Medical Wellness ist ein anderes als bei der klassischen Kur. Eine Kur wird dann angewandt, wenn jemand krank war oder krank ist. Und unser Ansatz ist, dass man nicht krank wird. Außerdem gibt es viele Medical-Wellness-Hotels, die in Kurorten sind und die Infrastruktur dort nutzen. Das eine widerspricht dem anderen also nicht.

INTERVIEW: EDITH KRESTA

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