Wie die Bertelsmann-Tochter für die Telekom Arbeitsplätze vernichtet

Eine ver.di-Aktion der anderen Art: Sklavenmarkt in Berlin Unter den Linden

Von Jenny Mansch

Mike Döding von ver.di sieht heute aus wie ein Zuhälter. Zum pinkfarbenen Blazer trägt er eine glänzende Satinhose, die Goldkette glitzert. "Junge Frau!", baggert er eine Touristin mit Handy am Ohr durchs Mikro an: "Sie müssen nicht mehr selbst telefonieren! Kaufen Sie einen unserer Bertelsmann-Sklaven, die sind dafür so was von ausgebildet, der macht dit für Sie. Allet macht der für Sie. Mit 20 Euro sind Sie dabei!"

Jute statt Arbeit

Sklavenhändler Döding zeigt auf einen Kollegen in Sackleinen, der auf der Bühne steht und grinst. Neben ihm stehen andere in Jutekleidung, Arvato-Beschäftigte aus Potsdam, die an diesem Samstag in Berlin eine Bühne aufgebaut haben, um mit ihrem "Sklavenmarkt" auf die Vernichtung von Jobs durch den Verkauf ihres Standorts aufmerksam zu machen. Direkt vor der Bertelsmann-Zentrale. Ab und zu bewegt sich sacht eine Gardine im Hause.

Die Protestaktion macht ver.dianern und Touristen Spaß. Solikarten zum Versand an Bertelsmann werden verteilt, Touristen erfahren von den Standortschließungen der Bertelsmann-Tochter Arvato in Potsdam und Freiburg. "Hey, wollen wir einen Sklaven kaufen?", fragt ein Passant seinen Partner und feixt. "Damit haben wir Amerikaner doch Erfahrung." Als er hört, worum es geht, sagt er, das komme ihm bekannt vor. Das Ehepaar aus Köln hat den Glauben an Unternehmerverantwortung längst verloren. Sie nehmen die Karte mit. Auch ihr Sohn komme hierzulande nicht mehr klar mit den Sitten auf dem Arbeitsmarkt, sagt die Frau, er lebe jetzt in der Schweiz.

Die Kunst des Verkaufens

Laut Online-Nachschlagewerk Wikipedia ist "Verkauf" die "Übereignung einer Sache oder die Übertragung eines Rechts gegen Entgelt". Oder: Wenn ich was kaufe, muss ich es bezahlen. In der Praxis des Bertelsmann-Konzerns, der auch bei Wikipedia mitmischt, ist diese Definition auch umkehrbar. Wenn Bertelsmann mit seinen Töchtern shoppen geht, lässt der Medienriese sich seinen Einkauf üppig vergüten. So wie 2007 und 2008 von der Telekom-Tochter Vivento. Neun Callcenter kaufte Arvato ihr ab und bekam dafür noch 107 000 Euro pro Mitarbeiter dazu. Dazu eine Auftragsgarantie für fünf Jahre. Demnach hätte für die Beschäftigten bis 2013 Ruhe geherrscht, die ihrer Arbeit zugute gekommen wäre. Auftrags- garantie und Geld wurden jedoch nicht an die Dauer der Beschäftigung gekoppelt. Ein weiteres Geschenk an Bertelsmann, der beides einstrich und sich an die Regelungen für den Betriebsübergang machte: Zweistufige Absenkung des Jahresbruttolohns auf 15 000, dafür eine Arbeitszeit von 42 statt 38,5 Stunden und vier Tage weniger Urlaub. 1 200 Euro brutto pro Monat für 42 Arbeitsstunden. Und nun die Schließung von Potsdam und Freiburg mit rund 130 Kolleg/innen. Da ist nicht paranoid, wer ein perfides System am Werke sieht.