Die Gefahr lauert im Verborgenen. Und sie ist winzig klein. Mit bloßem Auge zumindest nicht wahrnehmbar und auch auf einer Waage kaum zu bestimmen. Chemikalien stecken in allem, was wir anfassen, einatmen oder in den Mund stecken - mit massiven Auswirkungen. Von einigen Stoffen weiß man, dass sie Allergien auslösen. Bei anderen ist bekannt, dass sie Folgen für die Fortpflanzungsfähigkeit haben können. Bei vielen chemischen Inhaltsstoffen der so genannten verbrauchernahen Produkte - zu denen alles von der Zahncreme bis zur Holzeisenbahn gehört - sind noch lange nicht alle Wirkungen bekannt.

Besonders betroffen: Spielzeug

Auf den Gabentischen der deutschen Haushalte werden auch in diesem Jahr wieder viele schöne Geschenke liegen, die bei genauerem Hinsehen gar nicht mehr so schön sind. Es fängt schon bei den Socken an. Wer die an seinen sportbegeisterten Sohn verschenkt, glaubt vielleicht, ihm etwas Gutes zu tun, wenn der Strumpf mit Bioziden oder Nanosilber ausgerüstet ist. Das soll Schweißgeruch und die Vermehrung von Bakterien verhindern. "Wir wissen aber, dass Biozide Allergien auslösen können, und bei den Nanoprodukten kennen wir die Auswirkungen noch nicht", sagt Marike Kolossa, Leiterin der Abteilung für gesundheitsbezogene Umweltbeobachtung beim Umweltbundesamt. "Es gibt da Risiken, ein Nutzen ist dagegen nicht wirklich erkennbar."

Die Biozide sind nur ein Beispiel für zahlreiche Stoffe, die in ganz harmlos daherkommenden Produkten vorhanden sind. Besonders betroffen davon ist Spielzeug. Sicherlich: Chemische Weichmacher sind seit einigen Jahren verboten, aber früher waren sie so gut wie in jedem Spielzeug enthalten, von denen noch lange nicht alle ausgemustert sind. Und auch heute noch ist bei Importware aus China, das den Spielzeugmarkt immerhin zu 80 Prozent beliefert, nicht unbedingt die Gewissheit gegeben, dass sie ohne Weichmacher hergestellt wurde. "Es ist nicht alles kontrollierbar, was importiert wird", sagt Toxikologin Kolossa, "aber wir haben in allen Kindern, die wir untersucht haben, Spuren gefunden."

Es geht dabei vor allem um die Phtalate. Diese Stoffe wirken im Tierversuch Testosteron hemmend, zu deutsch: Sie stören bei den männlichen Versuchstieren die Fortpflanzungsfähigkeit. Je jünger die Versuchstiere waren, desto größer war der Effekt. "Deshalb müssen wir besonders bei Kindern, die diesen Stoffen schon früh ausgesetzt waren, stärkere Effekte befürchten", sagt die Expertin, und: "Gleichzeitig beobachten wir beim Menschen, dass die Spermienqualität zusehends abnimmt."

Der zweite Stoff in der Runde ist der Weichmacher Bisphenol A. Da lauern die Gefahren nach Meinung von Forschern eher im kognitiven Bereich des Gehirns und im Verhalten. Bisphenol A steht im Verdacht, Aggressionen zu fördern. Enthalten ist der Stoff in vielen Plastikprodukten von Spielzeug bis Trinkflaschen - jüngst wurde es in einer Untersuchung des BUND auch in Babyschnullern gefunden. "Ich würde ungern abwarten, bis alle Auswirkungen wissenschaftlich belegt sind, sondern lieber gleich die Grenzwerte senken", sagt Kolossa.

Und so gibt es Dutzende Beispiele von Schadstoffen mit komplizierten Namen, die allgegenwärtig sind. Im Hausstaub findet sich ein ganzer Cocktail von Schadstoffen, hat das Umweltbundesamt festgestellt. "Jeder Artikel, den man schnell mal benutzt, hinterlässt einen chemischen Fußabdruck in der Wohnung", sagt Kolossa. So sammeln sich im Laufe des Lebens ein paar hundert Stoffe im Körper eines Menschen, die einzeln betrachtet womöglich weit unter den vorgegebenen Grenzwerten bleiben, über deren Zusammenspiel aber bisher wenig bekannt ist.

Formaldehyd für die Form

Bei Textilien werden nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) rund 600 so genannte "Hilfs- und Ausrüstungsmittel" benutzt, deren Liste sich wie das Who is Who im Giftschrank liest. Vom Fraßschutzmittel für den Transport über Weißtöner bis Formaldehyd für Formstabilität ist da reichlich zu finden. Das liegt alles im Rahmen der Grenzwerte. "Alles, was hier auf den Markt kommt, sollte sicher sein", sagt BfR-Sprecher Jürgen Thier-Kundke. Aber es würden auch immer wieder Stoffe gefunden, die nicht zulässig seien.

Ganz vermeidbar ist die Aufnahme von Schadstoffen also nicht, allerdings kann man sie deutlich senken, durch den bewussten Einkauf. "Deutsche und europäische Produkte werden in Verfahren hergestellt, die ziemlich streng kontrolliert sind", sagt Umweltexpertin Kolossa. Alles, was schon im Laden einen starken Eigengeruch hat, sollte nicht im Einkaufswagen landen. Auch die "guten" Duftstoffe sind nicht immer prima. "Einige gehören zu den Top Ten der Allergieauslöser", sagt Kolossa. Kleidung sollte vor dem ersten Tragen mindestens einmal gewaschen werden. Und: Finger weg von Textilien, die bereits in der Hand ausfärben. "Das ist immer schon ein schlechtes Zeichen", sagt BfR-Sprecher Thier-Kundke.

Im Dschungel der Zeichen

In der Flut der angeblichen Gütesiegel gibt es einige wirklich verlässliche Zeichen. Bei Spielzeug gehört dazu das "Spiel gut"-Zeichen. In anderen Bereichen ist es der Blaue Engel, das Europäische Umweltzeichen (Blume mit Europasternen), das TÜV-Zeichen oder auch die RAL Gütezeichen des Deutschen Instituts für Gütesicherung und Kennzeichnung und einige kleine Label. Für die Kunden sind es dennoch zu viele Zeichen, um durchzublicken. Verbraucherschützer setzen sich seit Jahren dafür ein, den Dschungel der Siegel zu lichten. "Wir brauchen vom Lebensmittel bis zum Finanzprodukt Kennzeichnungssysteme, die verlässlich und auf einen Blick erfassbar sind", sagt der Sprecher des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Christian Fronczak. So lange wird der viel gerühmte "mündige Verbraucher" mächtig ge- und auch überfordert. www.label-online.de