Für klare Verhältnisse sorgen

HELMUT PLATOW leitet die Rechtsabteilung beim ver.di-Bundesvorstand

ver.di PUBLIK | Wenn jemand auf Dienstreise geht, wird die reine Reisezeit oft nicht bezahlt. Der Gesetzgeber hat dies nicht eindeutig geregelt. Warum eigentlich nicht?

HELMUT PLATOW | Weil es immer auf die konkreten Umstände der Dienstreise ankommt. Der Gesetzgeber hat in Paragraph 611 Bürgerliches Gesetzbuch eindeutig geregelt, dass die Arbeitsleistung beziehungsweise die Arbeitspflicht zu vergüten ist. Wenn ein Arbeitnehmer während der regulären Arbeitszeit angewiesen wird, eine Dienstreise zu machen, ist das seine Arbeitspflicht. Er kann während der Dienstreise nicht frei über seine Arbeitszeit verfügen, muss also bezahlt werden. Allerdings gibt es immer wieder Streit, wenn die Dienstreise ganz oder zum Teil außerhalb der regulären Arbeitszeit stattfindet, oder wenn der Arbeitnehmer keinen Pkw lenken muss und er während der Fahrzeit machen kann, was er will. Wenn es dann keine eindeutigen Vereinbarungen in Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag gibt, kann die Zeit auch schon mal als eine nicht vergütungspflichtige Ruhezeit bewertet werden.

ver.di PUBLIK | Gibt es bestimmte Berufe, bei denen man besonders darauf achten sollte, dass im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung auch die Reisezeit vergütet wird?

PLATOW | Ja, grundsätzlich bei allen Tätigkeiten, die mit verstärkter Reisetätigkeit verbunden sind, etwa bei Außendienstmitarbeitern, Handelsvertretern, Reportern oder bei Montagetätigkeit. Auch so genannte höhere, gutverdienende Angestellte sollten für den Fall einer Dienstreise vor Reisebeginn für klare Verhältnisse sorgen.

ver.di PUBLIK | Spielt es dabei eine Rolle, ob man mit einem öffentlichen Verkehrsmittel oder dem eigenen, beziehungsweise einem Firmen-Wagen unterwegs ist?

PLATOW | Nein, zumindest nicht, wenn man während der regulären Arbeitszeit unterwegs ist. Egal ob ich selbst den Pkw steuere oder nur mitfahre, ob ich im Zug sitze und einen Krimi lese: Grundsätzlich ist man auf Anweisung des Arbeitgebers - manchmal in überfüllten Zügen - unterwegs. Das ist Arbeitszeit und kein Privatvergnügen. In Tarifverträgen oder in Betriebsvereinbarungen wird oft anderes vereinbart. Das ist grundsätzlich zulässig. So sind im öffentlichen Dienst Dienstreisen, die länger als die reguläre Arbeitszeit dauern, keine Arbeitszeit. In anderen Tarifverträgen wiederum wird genau festgelegt, bis zu wie viel Stunden eine Dienstreise zu vergüten ist. Da gibt es je nach Branche sehr unterschiedliche Bandbreiten. Natürlich kann das alles auch im Einzelvertrag geregelt werden. Oft diktiert dann aber der Arbeitgeber einseitig die Bedingungen.

Interview: Petra Welzel