Auf Stellensuche? Stellen Sie sich auf weitreichende Testbegehren ein

Zuerst ging es nur um Daimler. Eine junge Frau hatte sich in der Bremer Niederlassung des Autokonzerns um einen Job als Büroangestellte beworben und war vor der Einstellung zu einem Bluttest gebeten worden. Der Radiosender NDR Info machte ihre Geschichte publik - offenbar kein Einzelfall. Von Daimler über den Kosmetikkonzern Beiersdorf bis zur Pharmafirma Merck: In vielen deutschen Großunternehmen werden Stellenbewerber regelmäßig zur Ader gelassen, um sie auf ihren Gesundheitszustand zu testen. Pikant: Auch der NDR lädt Jobsuchende vor einer definitiven Zusage zum Labortest, genau wie der Westdeutsche Rundfunk und der Bayerische Rundfunk. Die Sender räumten solche Untersuchungen mit der eher zweifelhaften Begründung ein, dass man Anhaltspunkte gewinnen wolle, "ob ein einzustellender Mitarbeiter die vorgesehene Wochenarbeitszeit wird bewältigen können" (NDR), oder man erhoffe sich "Aufschluss über Schichttauglichkeit, Suchtverhalten oder chronische Erkrankungen" (WDR).

Cholesterin, Diabetes, HIV

Konkrete Fälle, in denen ein Bewerber wegen auffälliger Blutwerte abgelehnt wurde, sind bislang nicht bekannt. Trotzdem sind Datenschützer alarmiert. Denn Bluttests sind eine überaus heikle, intime Angelegenheit. Schon die Frage nach Krankheiten ist im Bewerbungsgespräch normalerweise nicht erlaubt. Der Jobsuchende dürfte ungestraft die Unwahrheit sagen. Blutwerte können vielerlei offenbaren, was den Arbeitgeber nichts angeht - von erhöhten Cholesterinwerten über Diabetes, Schwangerschaft, HIV bis zur genetischen Disposition für spezielle Krankheiten.

Daimler beruft sich auf die "Fürsorgepflicht" gegenüber den Mitarbeitern, die nicht zu Arbeiten eingesetzt werden dürften, für die sie "körperlich nicht geeignet" seien. Innerhalb des Konzerns unterlägen Ärzte der Schweigepflicht, die einzelnen Laborwerte blieben vertraulich, fänden also nicht den Weg in die Personalakte. Der Werksärztliche Dienst informiere die Personalbteilung nur allgemein darüber, ob der Bewerber "für die Stelle geeignet" sei, schreibt Helmut Schmidt, Leiter des Bereichs Gesundheitsmanagement und Arbeitsschutz sowie Leitender Konzernarzt, im "Daimler-Mitarbeiter-Blog". Eine grundsätzliche rechtliche Prüfung von Seiten des Innenministeriums Baden-Württemberg stehe noch aus. Bis zur abschließenden Klärung werde man die Einstelluntersuchungen "auf die konkreten Anforderungen des künftigen Einsatzes der jeweiligen Mitarbeiter beschränken" und bei der Einstellung "keine Untersuchungen zur Gesundheitsprävention" durchführen - ein bemerkenswerter Satz, weist er doch auf weitergehendes Interesse als nur die Klärung der tatsächlich vorliegenden Belastbarkeit hin. Doch welche Tests sind eigentlich erlaubt, welche verboten? Inwieweit werden Laborwerte in Firmen gespeichert? Hier liegt eine juristische Grauzone vor. Bei speziellen Berufsgruppen sind Labortests sogar vorgeschrieben, weil auch Dritte vor Gefahren oder ansteckenden Krankheiten geschützt werden sollen, wie bei Piloten, Ärztinnen, Köchen oder Mitarbeiterinnen in der Lebensmittelbranche. Beim Schlosserlehrling, der an epileptischen Anfällen leidet, hätte ein Arbeitgeber wegen der Gefahr beim Umgang mit Maschinen das Recht, das Ausbildungsverhältnis zu beenden. Generell müssten Bewerber und Arbeitnehmer "nur die nötigsten Informationen zu ihrer Gesundheit liefern", erklärt Martina Perreng, Arbeitsrechtsexpertin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB): "Bloß weil jemand erhöhte Leberwerte hat oder HIV-infiziert ist, heißt das ja nicht, dass er seine Arbeit nicht gut macht." "Eine generelle medizinische Untersuchung von Betriebsangehörigen halte ich für unzulässig", sagt auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. Die neue Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP, kündigte an, endlich ein - von den Gewerkschaften schon seit längerem gefordertes - Arbeitnehmerdatenschutz-Gesetz auf den Weg zu bringen, "damit dann Arbeitgeber genau wissen, was sie dürfen und was sie nicht dürfen". Es bestehe immerhin der Verdacht, so die Ministerin, dass Arbeitgeber sich ein Bild vom Gesundheitszustand der Mitarbeiter machten, um dann "vielleicht in Zeiten wirtschaftlicher Krise zu sagen, wem können wir denn am ehesten eine Kündigung aussprechen".

Mit dem Problem allein

Arbeitsrechtler verweisen darauf, dass Bewerber ihre Zustimmung zu Bluttests verweigern können - leicht gesagt in Anbetracht der Situation auf dem Arbeitsmarkt. Und der Rat, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, wenn zum Test gedrängt oder aufgrund eines unzulässigen Labortests die Bewerbung abgelehnt wurde, ist eher ein Zeichen der Hilflosigkeit.