Da liefen die Verhandlungen noch. Straßenwärter und viele andere waren am 9. März in Potsdam dabei

Am Abend des 10. März liegt nach der dritten Verhandlungsrunde in Potsdam ein Ergebnis vor, und viele der anwesenden ver.dianer/innen sa-gen: Es ist besser als erwartet.

Ganz zum Schluss, ehe die Frauen und Männer der ver.di-Bundestarif-kommission darüber abstimmen, ob sie den ver.di-Mitgliedern dieses Ergebnis zur Zustimmung empfehlen wollen, steht ein Mann aus der Kommission im Saal auf und sagt, er sei glücklich über das Ergebnis. Ein Wort, das in diesem Kreis eher selten zu hören ist.

Dann folgt die Abstimmung. Mit einer einzigen Nein-Stimme und nur einer Stimmenthaltung entscheidet sich die große Mehrheit für das Ver-handlungsergebnis. Auch wenn die Tarifkommission einiges anders gewollt hat und nicht kritiklos ist.

Kern des Verhandlungsergebnisses sind nüchterne Zahlen, die für die rund 580000 Beschäftigten der Bundesländer eine Menge bedeuten: Sie erhalten für 2011 eine Einmalzahlung von 360 Euro, für die Auszubildenden gibt es 120 Euro. Dazu kommt ab 1. April 2011 eine Gehaltserhöhung um 1,5 Prozent.

Zum 1. Januar 2012 steigen die Gehälter dann noch einmal tabellenwirksam um 1,9 Prozent plus 17 Euro, für die Auszubildenden plus sechs Euro. Was rund 2,55 Prozent entspricht.

Verhandelt haben neben ver.di die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die Gewerkschaft der Polizei und der dbb Beamtenbund und tarifunion mit der Tarifgemeinschaft der Länder. Der Tarifvertrag soll bis Ende 2012 laufen. Die Gewerkschaften erwarten, dass die Verhandlungsergebnisse auch auf die Beamt/innen übertragen werden.

Warnstreiks und Protest

"Mehr Geld, das ist für die Azubis toll", sagt Ina Oberländer, die für die ver.di-Jugend in der Verhandlungskommission ist. "Aber wir haben auch die Übernahme aller Azubis gefordert, die ihre Abschlussprüfung erfolgreich bestanden haben, für mindestens 24 Monate. Das konnte nicht durchgesetzt werden. Es bleibt in diesem Punkt leider ein Wischi-Waschi wie bisher."

Vor der dritten und letzten Verhandlungsrunde waren Anfang März bundesweit mehr als 80000 Beschäftigte der Länder auf der Straße, nahmen an Warnstreiks und Protestkundgebungen teil, 12000 zum Beispiel am 8. März in Bremen. In Potsdam sind am selben Tag mehr als 12000 Menschen zu einer Kundgebung gekommen, so viele wie seit 1989 nicht mehr.

Erschwerniszulagen und Eingruppierung

Am 9. März standen am Vormittag vor allem Männer und Frauen vom Küstenschutz und von den Straßenmeistereien vor dem Potsdamer Verhandlungshotel und machten laut auf ihre Forderungen aufmerksam. Waltraud Minnich, Verwaltungsangestellte in der Straßenmeisterei Stadthagen, sagte: "Wir erwarten ein ordentliches Angebot - und erstmal überhaupt ein Angebot - von den Arbeitgebern, sonst kommen wir uns langsam wirklich veräppelt vor. Unsere Straßenwärter haben einen gefährlichen Job, dafür verdienen sie Aner-kennung, auch finanziell."

65 Männer und Frauen von Straßenmeistereien waren aus Niedersachsen nach Potsdam gefahren. Mit einem Transparent an die Arbeitgeberseite: "Herr Möllring, wir tauschen gerne! Kommen Sie aber nicht unter die Räder!"

28 Stunden später lag nicht nur überhaupt ein Verhandlungsergebnis auf dem Tisch, sondern auch die Erhöhung der Erschwerniszulage, für die - sehr gut organisierten - Beschäftigten der Straßenmeistereien und des Küstenschutzes. Auf eine Pauschale werden für sie noch einmal 25 Euro gelegt - eine Lohnerhöhung um ein Prozent. "Gut so", fand Hans-Uwe Hansen vom ver.di-Bezirk Westküste. Er ist Wasserbaumeister und Mitglied der Verhandlungskommission. "Schön, dass wir so gelobt werden, wo wir doch mit 80 bis 90 Prozent ver.di-Mitgliedern bei Auseinandersetzungen immer an vorderster Front stehen." Thomas Schmidt von der Staßenmeisterei Stadthagen fügte hinzu: "Vielleicht treten jetzt noch mehr Leute in die Gewerkschaft ein, die sehen, dass es sich lohnt. Und vielleicht trauen sich künftig noch mehr Beschäftigte aus anderen Bereichen auf die Straße." Am 1. Januar 2012 wird auch eine neue Regelung zur Eingruppierung der Länderbeschäftigten in Kraft treten. Zwei Drittel von ihnen, vor allem Frauen in den Verwaltungen und beispielsweise die Hochschulsekretärinnen, werden davon profitieren, dass Bewährungsaufstiege bis zu sechs Jahren jetzt direkt bei der Eingruppierung berücksichtigt werden. Was bedeutet: Keine Wartezeiten mehr, wie es bisher üblich war.

Bitter ist, dass die Arbeitgeber der tariflichen Eingruppierung der 205000 angestellten Lehrer/innen nicht zugestimmt haben. Wie sie bezahlt werden, soll weiter einseitig von den Ländern geregelt werden. Als "vordemokratisches Relikt" bezeichnete der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske das. Das Thema sei nicht vom Tisch.

Die ver.di-Bundestarifkommission hat abgestimmt. Jetzt entscheiden die Mitglieder. In einer Befragung können sie bis zum 1. April ihr Urteil abgeben. Erst danach, auf der Grundlage des Votums aller, die sich beteiligen, wird über den Abschluss entschieden.

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