Horst Wisotzki wurde am 29.Dezember 1951 in Hagen/Westf. geboren. Der Älteste von vier Geschwistern absolvierte von 1966 an eine Ausbildung zum Betriebsschlosser und arbeitete als Pumpenschlosser, bis er 1971 seine Ausbildung bei der Feuerwehr begann. Durch Fort- und Weiterbildung machte er eine steile Karriere: Gruppenführer 1979, Leiter der Aus- und Fortbildung 1989, stellvertretender Amtsleiter 1992, Amtsleiter 2001, Branddirektor 2004, Leitender Branddirektor 2006. Wisotzki lebt mit Frau Anita in Hagen-Haspe und ist wie sein Vater und Großvater Gewerkschaftsmitglied. Vater Horst Wisotzki senior, 87, ist der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der Zeitungsdruckerei "Westdruck", wo einst die Westfalenpost hergestellt wurde.

Von Ulla Lessmann

Der Leitende Branddirektor der Stadt Hagen steht persönlich mit seinem feuerwehrroten Dienstwagen vor dem Hauptbahnhof, um die Reporterin abzuholen: Dieses unprätentiöse Verhalten charakterisiert den höchsten Feuerwehrbeamten der südwestfälischen Kommune trefflich. Dass ich ihn dank Internet-Recherchen sofort erkenne, amüsiert ihn: "Ich gehe eigentlich nie ins Internet, ich kann das gar nicht." Das ist denn doch eine Überraschung bei einem Mann in seiner Position. "Nee", sagt Horst Wisotzki und grinst, "ich komme auch über den Kopf klar. Ich habe kein Interesse am Internet."

Auch das ist eine Haltung, die sofort für den 59-Jährigen einnimmt: Er macht das, was er für richtig hält, gradlinig, beharrlich und aus einem ruhigen Selbstbewusstsein heraus; ein freundliches Lächeln gehört dazu. Damit ist aus dem gelernten Schlosser - "ich hatte immer eine handwerkliche Ader" - und einfachen Feuerwehrmann der Leitende Branddirektor Horst Wisotzki geworden, dekoriert mit den höchsten Auszeichnungen, die die Deutsche Feuerwehr zu vergeben hat, beliebt bei den 975 Kollegen der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr, geachtet in der Politik. Die Lokalpresse dichtete angesichts seiner letzten Jahresdienstbesprechung "Von der Spritze an die Spitze", der Oberbürgermeister bescheinigte ihm, sich mit seiner Führungsstärke auch gegenüber der Lokalpolitik gut durchgesetzt zu haben. Das ist einem wie Horst Wisotzki schon wieder ein bisschen zu viel. "Ich habe mit Argumenten überzeugt", stellt er richtig. Beispielsweise beim Neubau der Wache Hagen-Ost oder dreier Feuerwehrgerätehäuser. Darauf ist er stolz: "Wir haben die technische Ausstattung exorbitant verbessert, wirklich ein Riesenschritt in den letzten 15 Jahren. Jetzt sind wir auf einem guten Wege."

"Frauen und Migranten, die brauchen wir"

Horst Wisotzki, der mit Vollendung seines 60. Lebensjahres Ende 2011 in Pension geht, macht sich Gedanken um die Zukunft der Feuerwehren: "Frauen und Migranten, die brauchen wir. Bei letzteren gibt es hoffnungsvolle Tendenzen vor allem in der Freiwilligen Feuerwehr." Bis heute müssen Feuerwehrleute eine handwerkliche Ausbildung haben: "Ich brauche auf dem Löschzug einen Elektriker, einen Zimmermann, einen Schornsteinfeger, mindestens." Das ist für den "Frauenverfechter" Wisotzki einer der Gründe für den Frauenmangel bei der Berufsfeuerwehr: "Mädchen und Frauen haben selten eine handwerkliche Ausbildung." Obwohl die Zahl der Brände dank vorbeugendem Brandschutz stagniert, steigen auch in Hagen die Einsätze durch zunehmende Wetterkapriolen: "Bei technischen Hilfsleistungen verzeichnen wir eine signifikante Zunahme: Überschwemmungen, Orkane, plötzliche hohe Schneelagen. Das verursacht immense Schäden. Ich denke, die Natur schlägt zurück." Aber die Vielfältigkeit ist es auch, die er an seinem Beruf so mag. Da wird der ruhige Mann lebhaft und eindringlich: "Man weiß nie, was in den nächsten zehn Minuten passiert, weil immer was dazwischenkommt, was den Tagesplan durcheinander bringt." Noch zwei Tage vor unserem Gespräch war der Chef selber vor Ort: "Bei größeren Einsätzen übernehme ich noch die Einsatzleitung." Angst hat er nie gehabt, "belastend" waren einige Einsätze, so, "als eine Propangasflasche in einem Keller explodierte und der Feuerball über uns wegging".

"Ich hatte immer gerne mit Menschen zu tun"

Der Sohn des Betriebsratsvorsitzenden einer Zeitungsdruckerei und Enkel eines Stahlarbeiters, beide lebenslang Gewerkschafter, trat am ersten Tag seiner Ausbildung in die Industriegewerkschaft Metall ein, später in die IG Chemie, und wurde schließlich über die ÖTV zum ver.di-Mitglied. Wisotzki ist erstaunt, dass ich ihn überhaupt nach dem "Warum" frage. "Das war bei uns zu Hause selbstverständlich." Und selbstverständlich war für ihn, dass er trotz seiner beeindruckenden Karriere, die ihn quasi zum Arbeitgeber beförderte, niemals über einen Austritt auch nur nachdachte. "Wir brauchen starke Gewerkschaften, verlässliche Verhandlungspartner. Von Spartengewerkschaften halte ich überhaupt nichts. Die Arbeitgeber wären auch nicht so dusselig, sich in fünf Verbände aufzuteilen. Ich bin ein Verfechter der Einheitsgewerkschaft und halte Spartengewerkschaften für einen Ausdruck von reinem Egoismus." Konflikte hat er "immer im Konsens und Kompromiss" gelöst und ist froh, seinen Feuerwehr-Personalrat als Partner zu haben, der ihm den fachlichen Austausch ermöglicht, wenngleich die Zusammenarbeit mit dem Gesamtpersonalrat der Stadt "immer fruchtbar war". Auch ver.di in Hagen "bemüht sich sehr um die Feuerwehrkollegen".

Der Leitende Branddirektor lässt die Tür zu seinem schmucklosen Büro offen, geht selbst ans Telefon und wundert sich höchstens, dass sich jemand darüber wundert. "Ich bin ja einer von ihnen und habe nie abgehoben", sagt der kräftige Mann mit der bedächtigen Gestik. "Ich hatte immer gerne mit Menschen zu tun, meine schönste Zeit waren die Jahre, in denen ich für die Aus- und Fortbildung zuständig war. Und nur weil ich eine fachliche Karriere gemacht habe, habe ich mich doch menschlich nicht verändert." Sein "schönstes Abschiedsgeschenk zur Pensionierung" wird er wohl nicht mehr bekommen: 90 Hagener Feuerwehrleute warten seit fast zwei Jahren auf die ihnen zustehende Beförderung, Wisotzkis Herzensangelegenheit. Er hoffte vergeblich auf eine feuerwehrspezifische Lösung, "sehr unbefriedigend ist das". Eine vage Zusage zog der Innenminister erst kürzlich zurück, nun wird "wieder geredet, taktiert, hingehalten". Wisotzkis Stimme, sonst eher leise, wird lauter, als er davon erzählt, dieses Verhalten der Politik macht ihm wirklich zu schaffen.

"Jetzt bestimme ich, wo ich hingehe"

Wisotzki, der eine Zigarette in seinem Büro raucht, "um den Brandmelder zu testen", den es nicht gibt, will nun ab 2012 selbst bestimmen, "wo ich hingehe und wohin nicht. In den letzten Jahren haben meine Vorzimmerdamen mit ihren Kalendern bestimmt, wo ich auflaufe." Andererseits kann er "schlecht Nein sagen, das ist meine Schwäche, andererseits ist es vielleicht gar keine Schwäche." Bestimmt nicht für den Fußballverein Blau-Weiß Haspe, dessen Vorsitzender er ist. Er hat 20 Jahre selber gekickt. Als Mittelstürmer mit Torinstinkt - natürlich, möchte man sagen, denn bei aller Bodenständigkeit verfügt er über Erfolgswillen und Zielstrebigkeit, ohne die man nicht zur Führungskraft wird. Im "Waldstadion" des Kreisligisten kann der Feuerwehr-Chef abschalten "und in der Pause schon mal den Trainer rausschmeißen".

Humor und eine gewisse Schlitzohrigkeit waren und sind sicherlich zwei der wichtigsten Züge des Horst Wisotzki, der "überhaupt keine Angst vorm Ruhestand hat. Ich finde, 40 Jahre sind genug. Ich kann mich beschäftigen. Ich werde erst mal bautechnisch tätig, das heißt, ich renoviere unsere Wohnung, und wenn ich tapeziere, mache ich das schön langsam und gründlich. Und ich lese gerne, die Lokalzeitungen rauf und runter, den Spiegel. Und ver.di PUBLIK. Wirklich!" Die eine oder andere Reise mit Ehefrau Anita auf die geliebten griechischen Inseln, "da kenne ich jede Wolke", ist geplant, "allerdings würde ich auch gerne mal nach Hawaii". Der Familienmensch Wisotzki fühlt sich gemeinsam mit den Geschwistern zudem für die Betreuung seiner betagten Eltern verantwortlich. "Wir hängen alle sehr aneinander, und bis heute frage ich meinen Vater um Rat." Einstweilen muss sich der höchste Brandschützer Hagens aber den Kopf über seine Verabschiedung zerbrechen, denn das wird nach 40 Jahren in derselben Wache eine "ziemlich große Angelegenheit".

"Wir brauchen starke Gewerkschaften. Von Spartengewerkschaften halte ich überhaupt nichts. Die Arbeitgeber wären auch nicht so dusselig, sich in fünf Verbände aufzuteilen."