Wenn Irmgard Schuster zum Arzt muss, lässt sie sich entweder kurz vor 9 oder um halb eins einen Termin geben. Dann nämlich kann sie den Rufbus der Linie 605 bestellen. Dafür muss sie mindestens zwei Stunden vor der im Fahrplan genannten Abfahrtszeit die Mobilzentrale anrufen. Die ist in zwei Schichten besetzt und sorgt dafür, dass ein Kleinbus ins brandenburgische Buckow kommt und die betagte Dame die sechs Kilometer bis zur Haltestelle direkt vor der Poliklinik in Calau bringt. Auch wenn sie die einzige Passagierin ist, kostet sie das nur den normalen Tarif und ist recht praktisch. Meldet sich dagegen niemand an, entfällt die Fahrt. Bei Anruf Bus - was für die Betroffenen ein nützlicher Service ist, hat für den Öffentlichen Nahverkehr und seine Beschäftigten jedoch Folgen.

Das leidige Geld

In Oberspreewald-Lausitz und dem benachbarten Elbe-Elster-Kreis wird das Angebot seit zwei Jahren als "zusätzlicher Service zum normalen Linienverkehr" angepriesen. Damals wurde entschieden, auf 19 weniger frequentierten Regionallinien oder in verkehrsarmen Zeiten nur noch Rufbusse zu betreiben. Tausende Kilometer im Liniennetz sind so für den regulären Betrieb weggefallen und werden nur noch "bedarfsorientiert" bedient. Für René Walter, Busfahrer und Betriebsratsvorsitzender bei der Südbrandenburger Verkehrsgesellschaft, ein zweischneidiges Schwert: "Für die Fahrgäste sind Rufbusse besser als nichts. Für uns ist das System ein Jobkiller." Walter und seine knapp 100 Busfahrerkollegen "laufen seither ihren Arbeitszeiten hinterher".

Mehr Dienst oder weniger verdienen ist ihr Dilemma. Wer für Rufbuslinien eingeteilt ist, muss sich in Bereitschaft halten. Nur in etwa einem Drittel der Fälle wird daraus ein tatsächlicher Einsatz. "Ansonsten sitzen wir rum und bekommen dafür nur ein Viertel des Tarifs." Mit dem System wollen inzwischen bundesweit Landkreise ihrer Pflicht zu Verkehrsleistungen als Daseinsvorsorge nachkommen, gleichzeitig aber Geld sparen. "Einst regulärer Linienverkehr fällt weg, und auch in weiteren Landkreisen Brandenburgs denkt man bereits über solche Lösungen nach", beklagt Jens Gröger von ver.di Berlin-Brandenburg. Er hat alle Beteiligten deshalb für Anfang 2012 zu einer Konferenz eingeladen. "Da geht es um die Frage angebots- oder nachfrageorientierter Nahverkehr, also um die Zukunft des ÖPNV überhaupt." Helma Nehrlich