Jeden Morgen wacht Eva Hofmann auf und freut sich auf einen neuen Tag. Sie steht auf, frühstückt, liest die Zeitung und macht sich an die Arbeit. Das ist nicht selbstverständlich. Denn geht es nach der Arbeitsagentur, hat Eva Hofmann gar keine Arbeit. Offiziell ist sie seit bald einem Jahr arbeitslos.

Im Januar ging ihre Firma, ein Datenbankanbieter, in Insolvenz. Hofmann verlor ihren Job nach 31 Jahren ununterbrochener Erwerbstätigkeit. Mehr als einhundert Bewerbungen hat sie mittlerweile losgeschickt, trotz umfangreicher Qualifikationen und langjähriger Berufserfahrung allesamt erfolglos. Das Problem: ihr Alter. Eva Hofmann ist 59 Jahre alt. Das ist, hat sie festgestellt, "ein K.O.-Kriterium".

Eine Ungerechtigkeit, gegen die sie nun anschreibt. In ihrem Blog "Arbeitssuche55plus". Im Internet verarbeitet Hofmann ihre Erfahrungen in regelmäßigen Kolumnen. Und bekommt viel Zuspruch. "Ich bin erstaunt", sagt Eva Hofmann, "wie intensiv meine Texte gelesen werden - gerade von Frauen, die in der gleichen Lage sind." Diese Leidensgenossinnen lässt sie nun teilhaben an den Absurditäten eines Lebens als Erwerbslose, aber auch an ihrer Verzweiflung und an den kleinen Erfolgen. Und manchmal gibt sie ihnen einfach ein Tucholsky-Zitat mit auf den Weg.

Was sie da beschreibt, ist für Hofmann keine ganz neue Welt, weil sie zuletzt als Personalbeauftragte arbeitete und "die Problematik von Bewerbern kannte". Aber nun erlebt sie die Arbeitslosigkeit aus "einer anderen Perspektive", und verarbeitet sie in ihrem Blog. Alle paar Tage berichtet sie von ihren erfolglosen Vorstellungsgesprächen mit Zeitarbeitsfirmen oder von ihren Versuchen, mal wieder "eine neue Bewerbungsstrategie" zu entwickeln.

Die Arbeit findet mich

Vor allem aber hilft das Internet-Tagebuch, mit der eigenen, mitunter hoffnungslos erscheinenden Situation besser klarzukommen: "Das ewige Abwarten und Teetrinken kann einen ganz schön nerven." Endlich kann sie meckern über den Wust an Formularen, mit denen man sich als Arbeitssuchende herumschlagen muss. Der Schriftverkehr erschien ihr oft so unfreundlich, dass sie sich bei den Ämtern gern als "Formularumschreiberin und Anschreibenverfreundlicherin" bewerben würde. "Das alles aufzuschreiben, was einen ärgert, das tut gut", sagt sie, "das hilft bei der Verarbeitung."

Denn noch hat ihr zwar kein Personalchef direkt ins Gesicht gesagt, sie sei zu alt für eine neue Festanstellung. "Aber oft kommt die Absage schon nach 24 Stunden", erzählt die studierte Anglizistin und Germanistin, "das deutet auf ein rigoroses Aussortieren hin." Der Blog, die neuen Kontakte im Netz, haben ihr aber gezeigt: So wie ihr geht es vielen. Die Folge: "Da geht ganz viel Fachwissen verloren."

Ihr Fachwissen ist gefragter denn je. Längst hat sie feststellen dürfen: "Eigentlich bin ich gar nicht arbeitsuchend. Die Arbeit findet mich." Mal schreibt sie die Pressemitteilung für die theaterspielende Freundin, dann übersetzt sie für einen Bekannten mal schnell was ins Englische oder hilft die Website der befreundeten Fotografin zu gestalten. Vier Bücher hat sie schon übersetzt, was allerdings eher schlecht bezahlt war. Schlussendlich sitzt Hofmann, berichtet sie, "nicht mehr wie früher neun Stunden am Tag am Rechner, sondern nur noch acht Stunden." Wenn es nicht mehr mit einer regulären Stelle klappen sollte, und danach sieht es momentan aus, bleibt ihr noch der Weg in eine moderne Patchwork-Existenz als Selbstständige. Ändern würde sich dann nicht viel. Sie nennt es heute schon Arbeit. Thomas Winkler