Demo vor dem Gütetermin in Münster. Ende Oktober geht es vor Gericht weiter

Der Volksbank Münster geht's gut. Der Betriebsrat weiß das. Trotzdem musste er gerade wieder einmal über die tarifliche Eingruppierung einer Kollegin diskutieren. Das Gremium sitzt um einen großen runden Tisch, der Dresscode ist gemischt, nicht alle sind Bankkaufleute. Er sei eher "Bob the Builder", murmelt Christoph Reich, Haustechniker und wie alle im Betriebsrat bei ver.di organisiert. In seiner Abteilung wurden gerade zwei neue ver.dianer gewonnen. "Jetzt sind wir hier an der Bank mehr als 70", sagt er. "Das ist viel, bei 250 Beschäftigten!"

Auf dem Tisch steht ein bunter Aufsteller, der verkündet: "Die Nummer 1 in Münster sind wir!" Die Volksbank ist "Sieger im Wettbewerb CityContest 2012" von Focus Money. "Eine Bank, die so gut dasteht, hat es doch wohl nicht nötig, Billigtarife anzuwenden", sagt Veronika Linnemann, seit 20 Jahren Betriebsratsvorsitzende.

Offenbar doch. Alles für die "Sparwelle", wie Christoph Reich erklärt. Carina Lanwehr fügt hinzu: "Die Bank kann in Zeiten der Finanzkrise nicht ständig mehr Gewinne machen, will das aber unbedingt. Also spart sie an uns." Von Jahr zu Jahr setze man weniger Leute in den Filialen ein; kein Wunder, dass die Fluktuation groß sei. "Bei dem wachsenden Druck wollen und können viele nicht mehr im Vertrieb bleiben." Harmoniesüchtig ist man in diesem Betriebsrat nicht. Stattdessen wird für die Interessen der Beschäftigten gestritten, wenn es sein muss, auch vor Gericht. "Idealismus braucht man dafür, so wie Veronika", sagt Markus Schmidt. Und Nervenstärke.

Gefälligkeitsvereine statt ver.di

Denn der Betriebsrat klagt - nicht zum ersten Mal - gegen den Vorstand. Er will vor Gericht feststellen lassen, dass sich die Eingruppierung der Beschäftigten nach dem ver.di-Manteltarifvertrag für die Genossenschaftsbanken richtet. Nicht nach Gefälligkeitstarifverträgen, die der Arbeitgeberverband AVR mit dem Deutschen Handels- und Industrieangestelltenverband (DHV) und dem Deutschen Bankenangestellten-Verband (DBV) für die 1200 Genossenschaftsbanken bundesweit abgeschlossen hat. Was mehrere Haken hat, auch für die Beschäftigten der Volksbank in Münster: Diese Verträge wurden 2008 in größter Schnelligkeit unterschrieben, Veronika Linnemann hat es selbst miterlebt. Sie bringen seitdem im Laufe der Jahre immer mehr Verschlechterungen für die Beschäftigten.

Schon 2008 wurde ermöglicht, dass das 13. und sogar Teile des 12. Monatsgehalts gestrichen werden können, wenn Beschäftigte die Zielvorgaben, so hart und kundenunfreundlich die auch sein mögen, nicht erfüllen.

Zwei Jahre später wurde die Berufsjahresstaffel - also die Gehaltserhöhungen nach mehreren Jahren - für die fünf unteren Tarifgruppen praktisch abgeschafft. Das bedeutet für Betroffene 355 bis 521 Euro weniger. Pro Monat. Zu klären ist deshalb, ob der Arbeitgeber allein, ohne Mitbestimmung des Betriebsrats, entscheiden darf, welches Vergütungssystem er im Betrieb anwendet. Und noch etwas kommt hinzu: Soweit der Betriebsrat weiß, haben die beiden christlichen Kleinverbände kein einziges Mitglied bei der Volksbank in Münster. Im Unterschied zu ver.di. Aber mit ver.di verhandelt der AVR nicht mehr.

Gesucht: mehr Mitglieder

Der Gütetermin in Münster hat stattgefunden. Der Anwalt rügte die "Personalisierung des Rechtsstreits" - Veronika Linnemann war in einem Schriftsatz der Gegenseite als "Handlangerin der Gewerkschaft" bezeichnet worden. Geeinigt hat man sich nicht, wie zu erwarten war. Betriebsrat und ver.di rechnen damit, dass der Rechtsstreit noch bis vor die letzte Instanz gehen wird. Der Arbeitgeberverband sieht ihn als bundesweites Pilotverfahren an und will sich seine Verfahrensweise und die Gefälligkeitsverträge juristisch bestätigen lassen. Der Betriebsrat in Münster ist zuversichtlich, zumal auch die Betriebsräte der Volksbanken Kraichgau/ Wiesloch-Sinsheim und Südniedersachsen geklagt haben. "Wir machen weiter", sagt Markus Schmidt. "Aber allein schaffen wir es nicht. Die Kollegen und Betriebsräte möglichst vieler Genossenschaftsbanken sollten auch aktiv werden. Im Interesse aller." Sonst bliebe eine eigenständige Regelung für ihr Unternehmen als andere Möglichkeit, also ein Haustarifvertrag.

Mark Roach ist bei ver.di bundesweit für die Genossenschaftsbanken zuständig. Er sagt: "ver.di unterstützt jede Belegschaft, die mit uns gemeinsam eine Haustarifvertrag abschließen will." Was Mut erfordere, in den relativ kleinen Unternehmen, in denen die Vorstände wie Lehnsherren herrschten. Aber es gebe nur den Ausweg für die Beschäftigten, sich zu organisieren und sich zu wehren, wenn sie etwas ändern wollen.

Kunden der Volks- und Raiffeisenbanken können die Geschäftsführung ihrer Bank auffordern, faire Tarifverträge mit der Gewerkschaft abzuschließen, die die meisten Beschäftigten vertritt. Ein kurzer Musterbrief findet sich hier:

www.banken.verdi.de/-/opK