von Silke Leuckfeld

In vielen Betrieben der Papier- und Kunststoffverarbeitung ist die Krise gar nicht angekommen. Und seit Ende letzten Jahres werden vielfach schon wieder Überstunden gefahren. ver.di fordert daher in diesem Jahr eine Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen um 4,5 Prozent für die knapp 100000 Beschäftigten der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie in West- und Ostdeutschland. Das beschloss die zuständige ver.di-Tarifkommission am 19. März in Berlin. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags soll zwölf Monate betragen. Das gekündigte Lohnabkommen endet am 30. April dieses Jahres.

"Die Papier- und Kunststoffverarbeitung ist eine Branche, der es im Vergleich zu anderen Industriezweigen wirtschaftlich deutlich besser geht. Die Betriebsräte berichten uns, dass seit Ende letzten Jahres Überstunden schon wieder eher die Regel als die Ausnahme sind", sagte der stellvertretende ver.di-Vorsitzende und Verhandlungsführer Frank Werneke. Nicht nur durch Kurzarbeit, sondern auch durch den Abbau von Arbeitszeitkonten haben etliche Unternehmen der Papier- und Kunststoffverarbeitung die schwierige wirtschaftliche Situation zu Beginn des vergangenen Jahres überbrückt. "Das Jahr 2008 war für unseren Betrieb sehr erfolgreich, im vergangenen Jahr war es etwas weniger", stellt Heinrich Hartmann, Betriebsratsvorsitzender der Marburger Tapetenfabrik, fest. "Aber wir sind ohne Kurzarbeit ausgekommen." Stattdessen wurden Arbeitszeitkonten abgebaut, auf denen Überstunden angesammelt waren. "Im wirtschaftlich sehr guten Jahr 2008 haben wir acht Prozent gefordert. Jetzt fordern wir 4,5 Prozent, das ist angemessen und berücksichtigt die wirtschaftliche Realität der Betriebe", betont Hartmann. "Aber wir wollen am wirtschaftlichen Erfolg, den wir erarbeitet haben, beteiligt werden."

Der Branche geht's gut

Seit Mitte vorigen Jahres geht es für die Branche wieder aufwärts, in den meisten Betrieben sind die Maschinen gut ausgelastet. Besonders deutlich wird die Entwicklung beim Realumsatz, bei dem die Preisschwankungen herausgerechnet werden: Er belief sich laut statistischem Bundesamt im Jahr 2008 auf 18,7 Milliarden Euro und im vorigen Jahr auf rund 18 Milliarden - ein Minus von 3,4 Prozent für das Jahr. Durch den niedrigen Papierpreis erwirtschafteten viele Unternehmen trotz des Umsatzrückgangs Gewinne. Im Produktionsindex erfasst das Statistische Bundesamt die Menge der geschaffenen Güter. Der Produktionsindex für die Papierverarbeitung sank im vergangenen Jahr um nur rund fünf Prozent. Wesentlich schlechter sah die Situation für das verarbeitende Gewerbe insgesamt aus (minus 20,1 Prozent); die Chemie-Branche verzeichnete einen Rückgang um 14,6 Prozent, der Maschinenbau gar ein Minus von 32,5 Prozent. "Wir arbeiten sehr viel für die Lebensmittelindustrie und sind eigentlich unberührt durch die Krise gekommen", sagt Uwe Jahrsetz, Betriebsratsvorsitzender von SCA Packaging Mannheim. Und: "Die Forderung hätte nicht niedriger sein dürfen, das haben mir auch die Kolleginnen und Kollegen im Betrieb gesagt." Frank Werneke sieht die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Tarifforderungen: "Deshalb ist es gerechtfertigt, wenn die Arbeitnehmer/innen über angemessene Lohnerhöhungen an dem von ihnen erarbeiteten Unternehmenserfolg beteiligt werden und dann einen Beitrag zur Verbesserung der Binnenwirtschaft leisten können."

Die Verhandlungen beginnen

Die Verhandlungen mit den Arbeitgebern vom Hauptverband der Papier- und Kunststoffverarbeitung (HPV) beginnen am 23. April in Frankfurt am Main. Eine weitere Verhandlungsrunde ist - nach Auslaufen der tariflichen Friedenspflicht - für den 4. Mai geplant.

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