Das Jahr begann hoffnungsvoll für die verbliebenen 620 Beschäftigten von Profectis, der einstigen Service-Tochter des abgewickelten Versandhauses Quelle. Hatte sich doch mit der Firma RTS-Service aus dem oberbayerischen Wolnzach ein Käufer gefunden, der damit nach Aussage von Firmenchef Josef Raith, "nicht nur Arbeitsplätze gesichert, sondern ein in Deutschland einzigartiges Serviceunternehmen" geschaffen habe. Da RTS seinen Schwerpunkt bei IT-Reparaturen und Computerlogistik hat und Profectis mit langjähriger Erfahrung bei Service und Wartung von Haushaltsgroßgeräten punkten kann, weckte Raiths Einschätzung hohe Erwartungen.

Doch mittlerweile herrscht ein rauerer Ton in der Nürnberger Profectis-Zentrale. "Bis zur Insolvenz im vergangenen Jahr haben hier noch 460 Menschen gearbeitet. Jetzt sind es noch 180, von denen 69 die Kündigung oder Änderungskündigung erhalten. Der Außendienst ist in Kurzarbeit. Und die RTS-Leute üben erheblichen Druck auf uns aus", sagt Gisberta Pirner, Betriebsratsvorsitzende in der Profectis-Zentrale, die seit vielen Jahren im Unternehmen arbeitet.

Der Brocken war zu groß

Die Mitarbeiter/innen in Nürnberg fragen sich inzwischen, ob RTS lediglich die Rosinen aus dem einstigen Quelle-Kundendienst picken will, nämlich die bundesweit im Außendienst Arbeitenden und die Kundenkartei. "Die Bereiche Personal und Buchhaltung sollen von Nürnberg in die RTS-Zentrale verlagert werden. Das Profectis-Lager steht vor der Schließung, da RTS im thüringischen Sömmerda ein eigenes Lager hat", erklärt Jürgen Markowsky, der Anwalt des Betriebsrates, der auch in die Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan für die anstehenden Kündigungen einbezogen ist.

Bei diesen Verhandlungen ist auch Manfred Wages vom ver.di-Bezirk Mittelfranken dabei. Er hat den Eindruck gewonnen, dass RTS die Kündigungen so schnell wie möglich über die Bühne bringen will. "Wir haben jedoch den Arbeitgeber aufgefordert, zunächst den Interessenausgleich und Sozialplan abzuschließen, bevor er einem Beschäftigten kündigt." Offenkundig hat sich das mittelständische Unternehmen RTS mit der Profectis-Übernahme einen zu großen Brocken einverleibt. In einem Newsletter an die Beschäftigten versuchte Mitgeschäftsführer Marc Hoppichler im März, Kurzarbeit und Stellenabbau zu rechtfertigen. Die Aufträge für Profectis seien nach der Quelle-Pleite eingebrochen, jetzt müssten neue Kunden akquiriert und straffere Strukturen geschaffen werden.

Auf dem Scherbenhaufen

In der Erklärung von Firmenchef Josef Raith hatte sich das Anfang Februar noch ganz anders angehört: "Ich bin der Überzeugung, dass sich die Geschäftsbereiche von RTS und Profectis bestens ergänzen und beide Unternehmen zusammen das Potential haben, eine herausragende Position im deutschen Servicemarkt einzunehmen."

"Tatsächlich sitzen wir hier inzwischen auf einem Scherbenhaufen", stellt Gisberta Pirner fest. Niemand in der Nürnberger Zentrale glaube mehr an die Sicherheit seines Jobs. In den laufenden Verhandlungen mit dem Arbeitgeber versucht Pirner aber, jede Stelle zu retten, und setzt sich für einen angemessenen Interessenausgleich und Sozialplan für die Kolleg/innen ein, deren Arbeitsplätze demnächst wegfallen. "Die bisherigen Angebote für Abfindungen und Versetzungen in bis zu 250 Kilometer entfernte RTS-Niederlassungen waren nicht akzeptabel", sagt die Betriebsratsvorsitzende. Ende März gab es zwar Annäherungen, aber noch keine Einigung, so dass im April (nach Redaktionsschluss) weiter über den Sozialplan und eine Standort- und Beschäftigungssicherung für die Nürnberger Zentrale verhandelt wird. Gudrun Giese