Wo es dampft und brodelt: die Küche der zentralen Kantine der Berliner Stadtreinigung. Orange ist die Farbe des Unternehmens

von Claudia von Zglinicki

Früh um neun gibt‘s für manche schon Mittag. Stattliche Männer strömen in die Kantine der Zentrale der Berliner Stadtreinigung. Sie tragen ihre "Genießerbäuche", wie Personalrätin Cornelia Kuhlich lächelnd sagt, vor die Theke und inspizieren das heutige Angebot. Sie ist regelmäßig hier, die Küche war schließlich viele Jahre ihr Arbeitsplatz, und zurzeit ist sie im Personalrat auch für die Kolleg/innen in der Küche zuständig.

Chefkoch Andreas Zawada weiß - wie seine Kolleg/innen - im Voraus genau, welches von den fünf angebotenen Gerichten am meisten verlangt wird, und er hat auch diesmal recht: Das Salatbuffet wird leichtfüßig umgangen, der ganze Trupp entscheidet sich für Spaghetti Bolognese mit viel Käse. "Das brauche ich jetzt", sagt einer der Männer von der Straßenreinigung. "Schließlich bin ich seit früh um vier auf den Beinen."

Um vier hat die Schicht auch für die ersten beiden Kolleginnen in der Küche begonnen. Ab 5 Uhr 15 steht das Frühstück bereit. Jetzt schnitzelt eine Köchin gerade Gurken an der Küchenmaschine, ein Koch füllt einen Stapel der großen Normbehälter mit Bohnensuppe. Die werden zu den anderen BSR-Standorten transportiert. Hier, in der Zentralkantine, werden täglich 300 warme Mittagessen verspeist, auch von betriebsfremden Gästen. Und das ist nicht alles: Das insgesamt 12-köpfige Team, davon fünf Teilzeitkräfte, bereitet 5 000 Gerichte pro Woche zu, die meisten für die Außenstellen. Hier werden die Braten geschoben, wie es in der Gastronomie heißt. Kartoffeln, Gemüse und anderes wird überall frisch vor Ort zubereitet.

"Frisch" ist ein Stichwort für alle, die hier arbeiten, auch für Cornelia Kuhlich. Die dunkelhaarige, schmale Frau ist ausgebildete Köchin und hat sich nebenher noch zur Ernährungsberaterin weiterbilden lassen. Auch jetzt, als Personalrätin, hat sie die Gesundheit der Kolleg/innen im Blick. Dass Köche eine große Verantwortung dafür haben, muss ihr niemand erklären. "Wenn man zwei von drei täglichen Mahlzeiten im Betrieb einnimmt, ist das ja wohl klar", sagt sie. Sie weiß aber auch, dass die Männer von der Straßenreinigung nicht belehrt werden wollen, und dass sie gerade morgens eine solide Mahlzeit brauchen. "Die Frage ist, was sie essen. Da empfehle ich schon mal das eine oder andere Gesunde von unserer Karte. Ich sag einfach: Guck mal, der Lachs ist auch lecker." Ihrem aufmerksamen Blick entgeht nicht, wie viel Zucker in den Kaffee gerührt wird. Eine Alternative wäre ihr lieber, Agavendicksaft zum Beispiel. "Der ist aber viel teurer als Zucker, deshalb wird das nichts", sagt sie bedauernd. "Gemeinschaftsverpflegung soll ja auch sparsam sein." Zufrieden ist sie mit dem vielfältigen Speisenangebot. Täglich ist Vegetarisches dabei und auch ein Gericht mit dem Grünen Apfel, dem hauseigenen Symbol für ausgewogene Ernährung und Vitamine.

Knochenjob an großen Kesseln

Der Zufall hat eine Rolle gespielt bei Cornelia Kuhlichs Berufsweg. Sie kommt aus einem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern, dort wollte sie nach der Schule nicht bleiben. Sie wollte nicht in der LPG lernen, auf keinen Fall Bäuerin werden. Da kam die Chance einer Ausbildung in Berlin gerade recht. Köchin war "nicht der absolute Traumberuf", aber warum nicht? Sie lernte in einem Restaurant, das "Freundschaft" hieß - einer Großgaststätte inklusive Schulspeisung, dann in zwei großen Ausflugsrestaurants am Müggelsee. Vor allem am Anfang fiel es ihr schwer. Professionelles Kochen hatte sie sich anders vorgestellt, mehr so wie zu Hause - auch in den Dimensionen. Jetzt war "richtiges Kesselkochen" angesagt. Ein Knochenjob unter hohem Zeitdruck, dann das frühe Aufstehen, schon um fünf. "Die Uhrzeit liegt mir immer noch nicht", gibt sie zu. Aufgeben wäre ihr aber nicht in den Sinn gekommen. Was man anfängt, zieht man durch, so ist sie erzogen worden. Nach dem Abschluss der Lehre und einem kurzen Versuch, in der Berufsausbildung zu arbeiten, landete sie in einem Großbetrieb mit drei Schichten. Frühschichten machten ihr immer Probleme. Eine Freundin erzählte ihr dann von der Stadtreinigung, damals noch in Ostberlin. Ohne Schichtarbeit, mit netten Kollegen, die noch eine Köchin brauchten. Cornelia sagte zu - und blieb. Nur der Arbeitsplatz wurde ein anderer: 1990, nach dem Ende der DDR, übernahm die Westberliner BSR auch den Betrieb im Osten der Stadt. Es gab wieder eine Stadtreinigung für ganz Berlin.

Wie der Betrieb zu DDR-Zeiten hieß, daran erinnert Cornelia Kuhlich sich schon gar nicht mehr. Nur daran, dass viel Neues auf sie zukam, selbst bei den Lebensmitteln. Kiwis zum Beispiel. Und die neuen Kolleginnen und Kollegen? "Die haben auch nur mit Wasser gekocht!" Sie lacht. Das habe sie beruhigt. Mit denen lief es gut. Sowieso gelte ja: 1 000 Köche - 1 000 Rezepte, für ein Gericht. Gerade dieses Kreative - "fast ein bisschen Meditative" -, das mag sie an ihrem Beruf. "Kochen ist wie Malen", findet sie. Wenn alles frisch und schön auf den Teller kommt, das sei ein gutes Gefühl. Wenn es den Kollegen schmeckt und sie auch noch feststellen: Das sieht aber gut aus!

Verändert haben sich seit den 90er Jahren auch die Arbeitsbedingungen in der Küche. "Zum Glück", sagt Kuhlich. "Mit modernen Geräten ist der Job nicht mehr ganz so schwer. Die großen Behälter werden bei uns in Wagen gefahren, nicht geschleppt." Ihr war lange nicht bewusst, dass sie selbst auch mal was für ihren Rücken tun sollte. Dabei hatte sie die Erfahrung schon gemacht, plötzlich nicht mehr aus dem Sessel hochzukommen und eine Spritze zu brauchen. In ihrem Büro hängt jetzt gut sichtbar ein Flyer über Rückengymnastik.

Nicht draußen stehen und meckern

Arbeitsbedingungen sind ein Thema in Großküchen - und damit sind nicht nur schwere Behälter gemeint. Dass der Job in Restaurants und Hotels häufig 12- bis 14-Stunden-Schichten mit unbezahlten Überstunden bedeutet, dass Kochen am Wochenende und den Feiertagen dazugehört und oft schlechte Bezahlung, weiß Cornelia Kuhlich. Doch die BSR-Küchen sind Teil des öffentlichen Dienstes, da läuft es anders. Arbeitszeiten und Schichten sind geregelt, jede Stunde wird bezahlt. Und demnächst wird es mehr Geld geben, rückwirkend ab März, nach der von ver.di durchgesetzten Tarifeinigung.

"90 Euro Mindestbetrag, das lohnt sich, gerade für viele unserer Kolleginnen und Kollegen, die in den unteren Entgeltgruppen sind", sagt die Frau aus dem Personalrat, in dem ver.di die Mehrheit hat. Es klingt ein Hauch Stolz mit. Mit schlechter Bezahlung, grundlosen Befristungen und Teilzeitjobs werde Altersarmut gezüchtet, sagt sie. Das macht sie wütend. Deshalb hält sie Arbeitnehmervertretungen für wichtig: "Um etwas durchzusetzen, muss man mitmachen, nicht draußen stehen und meckern." Deshalb ist sie Personalrätin geworden. In der Küche der BSR-Zentrale hängt das Flugblatt mit den Details des Tarifergebnisses, über den die ver.di-Mitglieder in diesem Monat entscheiden. Ihre Kolleg/innen werden zustimmen, da ist sich Kuhlich sicher.

Die Männer von der Frühschicht sind zufrieden. Einer hat noch den Blechkuchen probiert, jetzt geht's wieder los. Karin Grünberg sitzt an der Kasse und hat schon die nächsten Kunden vor sich. Aber der große Andrang kommt erst.

Grünberg hat viele Jahre mit Cornelia Kuhlich in der Küche zusammengearbeitet. "Und zwar sehr gern", sagt sie. "Aber ich finde es richtig, dass Conny jetzt im Personalrat ist." Und wenn sie wieder in die Küche zurückkäme? "Das wäre auch gut, keine Frage!"


Cornelia Kuhlich, 46,

Personalrätin Kuhlich, wie so oft zu Besuch am früheren Arbeitsplatz

ist ausgebildete Köchin mit jahrelanger Erfahrung in der Gemeinschaftsverpflegung, also Betriebskantinen. Nach der Ausbildung in Ostberliner Großgaststätten war sie in mehreren Werksküchen eingesetzt. Seit 25 Jahren arbeitet sie bei der Berliner Stadtreinigung (BSR), als Köchin in der auch für Gäste offenen Kantine der Unternehmenszentrale in Tempelhof. Zurzeit ist sie freigestellte Personalrätin. Sie ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder.


Gesund bleiben bei der Berliner Stadtreinigung

Ernährung: Frisches Salatbuffet, vegetarische Angebote, "Grüner-Apfel"-Gerichte mit weniger Kalorien

Bonusheft: Umfassendes Programm, das jeweils für das laufende Jahr in sechs Rubriken vielfältige Aktivitäten enthält: Sport, Vorsorgeuntersuchungen, BSR-Gesundheitstage, Ernährungsberatung, Unfallfreiheit bei der Arbeit und anderes. Wer erfolgreich teilnimmt, wird mit Warengutscheinen im Wert von 40 Euro pro Quartal belohnt. Zum Abschluss werden ein Fahrrad und Fahrradzubehör verlost.

"Es wird viel geboten, Rückenschule, Wandergruppen, das Programm Die BSR radelt und noch sehr viel mehr - doch jeder ist selbst für sich verantwortlich. Du kannst keinem über die Straße helfen, der nicht rüber will! Aber in puncto Gesundheit und gesunde Ernährung wird in Zukunft noch viel passieren." (Personalrätin Cornelia Kuhlich)