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Nicht nur Reisen bildet, sondern auch Arbeit im Ausland. Wer als Forscherin ein paar Jahre in Prag, Barcelona oder Neu Delhi tätig war, hat sicher viel gelernt - muss aber damit rechnen, bei der Rückkehr nach Deutschland als Berufsanfängerin eingestuft zu werden. Auch die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst läuft fern der Heimat oft nicht weiter. Umgekehrt sehen sich viele ausländische Wissenschaftler in Deutschland mit prekären Arbeitsbedingungen konfrontiert. Insbesondere Stipendien an Forschungseinrichtungen sind im Grunde Dumping und Schwarzarbeit. All das behindert die Mobilität, die die EU ja eigentlich fördern will. Die Gewerkschaften haben da eine eindeutige Position: Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler/innen und das wissenschaftsunterstützende Personal müssen international angeglichen werden. Sozialpolitische Hürden gehören abgebaut, Stipendien an Forschungseinrichtungen abgeschafft. Europa muss dabei vorangehen.

Auch bei den Studierenden holpert es nach wie vor. Zwar hat der Bologna-Prozess dazu geführt, dass es jetzt in ganz Europa Bachelor- und Masterabschlüsse gibt. Doch von Transparenz und Vergleichbarkeit kann trotzdem keine Rede sein. Sogar innerhalb Deutschlands ist das Angebot völlig unübersichtlich. Kleinteilige Prüfungen, mangelnder Praxisbezug und hohe Hürden beim Hochschulwechsel fördern eher Kleinstaaterei als Weltoffenheit. Dabei sind Auslandssemester im Prinzip sehr sinnvoll. Damit sich aber nicht allein Menschen aus betuchten Elternhäusern so etwas leisten können, müsste es für teure Länder ein angepasstes Auslands-BAföG geben.

Die Erwartungen sind schier grenzenlos

Seit Anfang des Jahres läuft das Forschungsprogramm "Horizont 2020". Für die kommenden sieben Jahre stellt die EU 77 Milliarden Euro zur Verfügung. Gefördert werden sollen wissenschaftliche Leuchttürme, innovative Industrieprodukte und auch einzelne Forschende. Die Liste der guten Absichten ist lang und reicht von länder-, technik- und disziplinübergreifendem Klimaschutz bis zu individuell angepasster Gesundheitsfürsorge, Sicherheit bei den digitalen Medien oder Nanotechnologie. Arbeitsplätze sollen geschaffen, bahnbrechende Entdeckungen herausgekitzelt werden - die Erwartungen an Horizont 2020 sind schier grenzenlos. Seit ein paar Wochen können Anträge gestellt werden. Nun kommt es darauf an, im Blick zu behalten, wer profitiert - und wer nicht. Zu befürchten ist, dass sozialwissenschaftliche Forschung auf EU-Ebene weiter nur ein Mauerblümchendasein fristet. Zugleich könnte die Großindustrie versuchen, sich Teile ihre Produktentwicklung subventionieren zu lassen. Das EU-Parlament sollte das alles mit sehr kritischem Blick begleiten. Deshalb ist es wichtig, wer im künftigen EU-Parlament sitzen wird - und niemand sollte es sich nehmen lassen, am 25. Mai darüber mitzubestimmen.